Wasserwende

Lea Marignoni vom Verein a tip: tap e. V. beim Interview
Der Konsum von Flaschenwasser in Deutschland liegt mit 175 Litern pro Person und Jahr sehr hoch

Werde Leitungswasser-Fan!

Über die Wasserwende in Moabit, Berlin und Deutschland 

Moabit wird zum Wasserkiez. Dieses gemeinsame Pilotprojekt des Vereins a tip: tap e.V., der Berliner Wasserbetriebe und des Bezirksamtes Mitte ermuntert Menschen, Unternehmen und Institutionen, auf Leitungswasser umzusteigen und damit etwas für Klimaschutz und gegen Plastikmüll zu tun. Die Schirmherrschaft übernimmt der Bezirksbürgermeister von Mitte, Stephan von Dassel. Gerald Backhaus traf eine Vertreterin des a tip: tap e.V. zum Interview.

Ein Glas Leitungswasser schenkt das Café, in dem wir uns treffen, bereitwillig zum Kaffee aus. Es ist aber noch kein Unterstützer des gemeinnützigen Vereins a tip: tap, der sich für eine Wasserwende in Deutschland, also gegen Plastik und für Leitungswasser einsetzt. Die Wienerin Lea Marignoni begann zunächst im Rahmen eines Bundesfreiwilligenjahrs beim gemeinnützigen Verein a tip: tap und ist seit Oktober als Aktionskraft für Berlin. Auch Chemnitz und Neuruppin werden vom Berliner Büro in der Joachim-Karnatz Allee 7 aus koordiniert. Lea ist eine von 18 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die der a tip: tap e.V. deutschlandweit beschäftigt. Ihr Ziel ist es, dass Leitungswasser in Deutschland irgendwann zum guten Ton gehört. Vom Ruhrpott bis nach Bayern: Berlin-Moabit ist wie auch Chemnitz und Neuruppin einer von 12 Wasserquartieren, die der Verein an sehr unterschiedlichen Orten in Deutschland eingerichtet hat. Darunter sind nicht nur Großstädte, sondern auch landwirtschaftlich geprägte Regionen. Auf deutsch bedeutet der Vereinsname so viel wie „ein Tipp: Leitungswasser“. Hinter a tip: tap e. V. steht eine Gruppe von Enthusiasten aus verschiedenen Bereichen, die Leitungswasser als Durstlöscher Nummer 1 propagieren. Dieser Fanclub für Leitungswasser beklagt Werbetricks und das starke Marketing für Wasser, das in Flaschen abgefüllt und verkauft wird. Ziel des Vereins ist daher das Umstellen von Flaschenwasser auf Leitungswasser, besonders um die Massen an Plastikflaschen der Umwelt zuliebe einzudämmen. Wenn ganz Deutschland auf Leitungswasser umsteigen würde, wären es rund 6 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr. Der a tip: tap e. V. geht momentan von ca. 400 Gramm pro Liter aus und weiß, dass 175 Liter Flaschenwasser pro Jahr und pro Kopf in Deutschland getrunken werden. „Leitungsheimer“, wie man in Berlin auch zu Wasser aus dem Hahn sagt, soll laut Deutschlandfunk das beste Wasser überhaupt sein. Der a tip: tap e. V. hat die Vorzüge von Leitungswasser zusammengestellt.

Gründe für Leitungswasser statt Wasser in Flaschen 

1. Kein Müll
2. Weniger CO2
3. Spart Erdöl
4. Sicherstes Lebensmittel in Deutschland 

5. Wertvolle Materialen
6. Hartes Wasser
7. Überall verfügbar
8. Ist gesund
9. Unschlagbar günstig 

Apropos günstig, der Preis sei durchaus ein wichtiges Argument, so Lea. Rund 200 Liter Trinkwasser bekommt man für nur einen Euro. Zum Vergleich: selbst bei billigem Flaschenwasser aus dem Discounter kommt man nur auf 5 Liter. Bis zu 1.000 Euro könne ein Vier-Personen-Haushalt wie eine Studenten-WG pro Jahr somit durch den Komplett-Umstieg auf Leitungswasser sparen. 

Umstieg auf Leitungswasser? - Beratung von Unternehmen, Institutionen und Vereinen 

Lea und ihr Team beraten Betriebe, Institutionen und Vereine in den bundesweit 12 Wasserquartieren dazu, wie viel sie beim Umstieg auf Leitungswasser sparen können, aber auch dazu, welche Karaffen und Zitronen sie für den Ausschank verwenden können, um das Leitungswasser attraktiver zu machen. Denn noch immer stoßen sie auf Vorurteile wie einen angeblich höheren Aufwand durch das Auffüllen und Reinigen von Karaffen vor und nach Besprechungen, und vor allem auf das schlechte Image des Wassers aus dem Hahn. Gilt der Chef als geizig, wenn er von Sprudelwasser aus dem Supermarkt auf Leitungswasser umstellt? Ist es weniger gut? Nach wie vor gibt es Menschen, die sich sowohl im Büro als auch daheim mit „Wir können leider nur Leitungswasser anbieten“ rechtfertigen, wenn sie kein Flaschenwasser eingekauft haben. Dabei ist Wasser aus der Leitung eines der am strengsten kontrollierten Lebensmittel. Lea argumentiert unter anderem damit, dass die Stiftung Warentest Leitungswasser immer wieder als hervorragend bewertet und dass es sich natürlich auch bestens zur Zubereitung von Babynahrung eignet. Wie sauber sind die Leitungen in einem alten Haus? Was ist mit Wasserfiltern?  Filter seien nicht notwendig: „Leitungswasser ist in Deutschland von herausragender Qualität und das am strengsten kontrollierte Lebensmittel. Es kann also bedenkenlos getrunken werden. Wenn jemand Filter oder Sprudler bevorzugt, ist das natürlich trotzdem besser,als Wasser aus Plastikflaschen zu trinken. Wir empfehlen dann aber aus hygienischen Gründen, dringend darauf zu achten, dass die Filter regelmäßig gewartet werden.“ Fragen wie diese beantwortet a tip: tap. Und bei den Berliner Wasserbetrieben kann man anhand seiner Postleitzahl die Wasserqualität überprüfen.

Wasser-Bildung in Schulen und Kindergärten

Leitungswasser ist kein gereinigtes Abwasser! Wie funktioniert eigentlich der Wasserkreislauf? Und wie bekommt man mehr Wertschätzung für die Ressource Wasser  hin? Der Verein leistet auch Aufklärungsarbeit in Schulen und Kindergärten sowie in Jugendfreizeiteinrichtungen und anderen außerschulischen Lernorten. Sehr gern kommen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach Absprache in den Einrichtungen vorbei, um die Kinder und Jugendlichen sowie das Lehrerkollegium für das Trinken von Leitungswasser zu begeistern. Oftmals werden dazu sogar eigens Projektwochen organisiert, wie z. B. in der Theodor-Heuss-Gemeinschaftsschule, oder man stellt gemeinsam Anträge zur Installierung eines Trinkbrunnens auf dem Schulhof.

Wasserkiez in Kreuzberg und Trinkorte in Berlin

Sein Wasserwende-Pilotvorhaben „Leitungswasserfreundlicher Mariannenkiez und seine Nachbarschaft“ hat der a tip: tap e. V. kurz „Wasserkiez“ genannt. Das Projektgebiet rund um den Kreuzberger Mariannenplatz ist größer als das dortige QM-Gebiet. Es wurde vor allem wegen der gastronomischen Betriebe um einige Straßenzüge erweitert. Ein Bestandteil ist die Mitwirkung am Projekt „Refill Berlin“. „Free Refill“ - auf Deutsch „Kostenloses Nachfüllen“ - nennt sich eine bundesweite und sehr niedrigschwellige Initiative, bei der man sofort loslegen kann. Dabei geht es darum, dass man sich z.B. in einem Geschäft oder Café seine eigene Wasserflasche kostenlos auffüllen kann. Schon über 250 gekennzeichnete Stationen in Berlin, die durch Aufkleber am Schaufenster als Wasserspender erkennbar sind, machen dabei mit. Dass sehr viele Leute zum Auffüllen kommen und damit das Tagesgeschäft aufhalten, hat sich übrigens nicht bestätigt. Die beteiligten Auffüllstationen berichten von vier bis fünf Besuchern am Tag. Stationen in Moabit sind zum Beispiel die Biocompany-Filiale Turmstraße, Domberger Brotwerk, Humbaba Falafel und Blue Eyes Optik.

Politisch ist man beim a tip: tap e. V. vor allem aktiv dabei, den Bau von Trinkbrunnen in Berlin zu forcieren. Die Berliner Wassertriebe sind dabei ein ganz wichtiger Kooperationspartner, und auch die Klimaschutzbeauftragte des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg unterstützt alle Leitungswasser-Aktivitäten. 106 Brunnen gibt es in der Stadt aktuell, der erste Neubau durch Initiative von a tip: tap fand 2010 in Neukölln statt. In Moabit existieren drei Trinkbrunnen, und zwar in der Wiclefstraße, dem Kleinen Tiergarten und in der Turmstraße gegenüber vom Lageso-Gelände. Eine Übersicht über alle Brunnen findet man auf der Webseite der Wasserbetriebe.

Mitmachen!

Der Projektträger a tip: tap e.V., dessen Arbeit zunächst bis ins Jahr 2022 gesichert ist, wirbt für die finanzielle Unterstützung durch Spenden und sucht nach weiteren Helferinnen und Helfern, um einen Transformationsprozess in Moabit zu entwickeln. Lea ist Ansprechpartnerin für Informationen und Beratung für die Anwohnerschaft. Umfangreiche Wassertests zur Trinkwasserqualität werden bei Bedarf durch Mitarbeiter der Wasserbetriebe durchgeführt. Werbung dafür machte der Projektträger im Mariannenkiez mit Faltblättern in den Hausbriefkästen und in Geschäften wie den viel besuchten Spätis. Die Faltblätter gab es auch in Fremdsprachen, was so manche Türen für das Thema Leitungswasser öffnete. 

Kontakt zu Lea Marignoni per E-Mail: lea@atiptap.org, Büro: a tip: tap e.V., Joachim-Karnatz Allee 7, 10557 Berlin 

Mehr Informationen: wasserwende.orghttps://www.wasserwende.org/moabit.html

Text: Gerald Backhaus, Fotos: Porträtfotos der Interviewpartnerinnen © Gerald Backhaus, alle anderen © a tip: tap e.V.