Thomas Büttner beim Interview im Café Arema
Moabiter Bildungsfest 2019 / Foto: Ekaterina Romanowa
Projektbeispiele Bildung für nachhaltige Entwicklung, Bildungslandschaft Moabit
Gemeinschaftsgärtnern - Hochbeete für den Schulhof der Theodor-Heuss-Gemeinschaftsschule, 2017 mit der damaligen Schuldirektorin Dierker (Mitte) / Foto: Fa. Ampelmann
Moabiter Bildungsverbund-Konferenz (Foto: Thomas Büttner)
Moabiter Bildungsfest 2018 (Foto: Thomas Büttner)
Walderlebnistag mit dem Moabiter Bildungsverbund (Foto: Sabine Völkers)
Beim Moabiter Bildungsfest 2018 (Foto: Thomas Büttner)
Beim Moabiter Bildungsfest 2016 / Foto: Stefanie Tragl
Der Bildungsverbund Moabit leistet herausragende Arbeit zur strukturellen Verankerung von Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) in Deutschland. Dafür bekam er 2018 eine Auszeichnung im Rahmen des UNESCO-Weltaktionsprogramms. Mit auf dem Foto: Ines Blumenthal, Natur- und Umweltschutzamt BA Mitte / Foto: Dt. UNESCO-Kommission
Fastenbrechen im Haus der Weisheit, 2019 / Foto: Dieter Burmeister
Moabiter Bildungs- und Aktionswoche zu Bewegung, Mobilität & Gesundheit, 2021 / Foto: Thomas Büttner
Auszeichnung im Rahmen des UNESCO-Weltaktionsprogramms Bildung für nachhaltige Entwicklung, 2018 / Foto: Dt. UNESCO-Kommission

Thomas Büttner, sein Projekt „Quartier Moabit-Ost aktiv gegen Klimawandel“ und weitere Aktivitäten in Moabit

von Gerald Backhaus

Draußen regnete es Bindfäden beim Treffen mit Thomas Büttner im Café Arema. Er kommt gerade von einer Projektbesprechung. Der Mann ist viel beschäftigt und immer parallel auf mehreren „Baustellen“ unterwegs. Viele kennen ihn bereits seit Jahren vom Naturwissenschaftlichen und kulturellen Bildungsverbund Moabit und vom Verein Zentrum für interreligiösen Dialog Berlin Moabit (ZiD e.V.). Beim Gespräch heute allerdings soll sein neuestes „Baby“ im Mittelpunkt stehen: „Quartier Moabit-Ost aktiv gegen den Klimawandel“ heißt das aus dem Programm „Sozialer Zusammenhalt“ über das QM geförderte Projekt, das vor kurzem begonnen hat und bis Ende 2024 laufen soll. Sein Ziel ist es, die Wohn- und Lebensqualitäten im Stadtteil vor dem Hintergrund des Klimawandels zu verbessern. Es geht darum, die Menschen und die Natur (vor dem Hintergrund des Klimawandels besser) stärker zu schützen. Dabei sollen vor allem die Luft- und Lärmbelastung sowie die Biodiversität und klimatische Verbesserungen angegangen werden. Unterstützt wird Thomas Büttner bei diesem Projekt von der Natur- und Umweltpädagogin Susanne Petras. Sie ist im Kiez durch ihre gut besuchten Baum- und Kräuterführungen bekannt.

Mehr Umwelt-Gerechtigkeit bitte!

Thomas Büttner erklärt, dass es seiner Meinung nach für die Bewohnerschaft hier im Gebiet gesundheitliche Belastungen durch Hitzeperioden sowie durch hohe Lärm- und Feinstaubbelastung gibt. Mehrfachbelastungen wären häufiger bei sozial weniger privilegierten Menschen anzutreffen, die an verkehrsreichen Straßen wohnen. Außerdem würde die Stadtnatur in Moabit durch den Klimawandel geschwächt. „Es gilt, gesunde Lebensbedingungen für alle zu schaffen, unabhängig von der sozialen Lage der Menschen. Also für mehr Umwelt-Gerechtigkeit zu sorgen“, zitiert Thomas Büttner aus seiner Projektpräsentation. Ist das sein Credo? Mir klingt das noch zu theoretisch. Ich möchte erfahren, wie er sich das konkret vorstellt, das Klima im Quartier zu verbessern. Er strebt das u.a. durch die Wissensvermittlung an der Kurt-Tucholsky-Grundschule und an den beiden weiterführenden Schulen im Gebiet an. „Wer die Natur kennt, eine Beziehung zur Natur hat, wer sie und ihre positive Wirkung auf den Menschen schätzt, ist eher dazu bereit, die Natur und seine Umwelt auch zu schützen und sich ‚klimafreundlicher‘ zu verhalten“. Bei den Kindern und Jugendlichen, aber auch bei deren Eltern bzw. bei ganzen Familien sollen durch das neue Projekt also die Naturerfahrung und die Naturbildung gefördert werden.

Klimaschutz im Kiezalltag erfahren, nur wie?

Außerdem möchten Susanne Petras und er eine Veranstaltungsreihe organisieren, bei der „Klimaschutz im Kiezalltag erfahrbar wird.“ Für Thomas Büttner ist das Projekt im Grunde auch ein politisches, denn für ihn gehören Umweltgerechtigkeit, Maßnahmen zur Klimaanpassung und zum Klimaschutz sowie der soziale Zusammenhalt zusammen, weil „ein von den Menschen getragenes Aktivsein gegen Klimawandel den sozialen Zusammenhalt stärken kann.“ Zu den Veranstaltungen möchte er neben Experten aus der Wissenschaft auch Lokalpolitiker einladen. Er verweist auf das Modell der 15-Minuten-Stadt, das als Zielvorstellung, als Vision, handlungsleitend sein kann. Das Modell wird aktuell besonders von der Pariser Bürgermeisterin propagiert, macht aber auch in Deutschland die Runde. Es hat zum Ziel, dass alles Lebensnotwendige in einem 15-Minuten-Umkreis zu Fuß oder mit dem Fahrrad erreichbar sein soll, also explizit auch in Gebieten mit einer weniger betuchten Einwohnerschaft. Dazu braucht man in jedem Stadtteil zum Beispiel genügend Geschäfte, Gesundheitszentren, Gemeinschaftshäuser, soziale Einrichtungen, Cafés und Restaurants. „Sinngemäß spricht man bei diesem Ansatz deshalb auch von einer Stadt aus vollwertigen Nachbarschaften. Diese sollten zugleich so gestaltet sein, dass sich die Menschen gern darin aufhalten“, erläutert Thomas Büttner das Modell. Konkret: „einladende öffentliche Räume, weniger Autoparkplätze, mehr Bäume – und vor allem viel fußgänger- und fahrradfreundlicher.“

Mehr Fahrradfahren und mehr Leitungswasser 

Noch konkreter, bitte, was soll im Osten Moabits passieren? „Wir möchten unter anderem die Lust auf mehr Fahrradfahren und mehr Leitungswasser wecken. Es soll Hinweise zum Energiesparen geben und dazu, wie man mit weniger Verpackung als üblich einkaufen kann.“ Bei all dem möchte das Projektteam partizipativ vorgehen. Daher ist die Beteiligung aller Interessierten im Gebiet ganz wichtig. Gemeinsam mit der Bewohnerschaft und den Zielgruppen - das sind eigentlich alle, von Kindern bis älteren Menschen - möchten sie ein Leitbild als Vision für Moabit-Ost entwickeln. Und plötzlich sprudeln weitere konkrete Ideen aus Thomas Büttner heraus: Straßensperrungen als Aktion mal für eine Woche und Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung, um Lärm und Feinstaub zu verringern, mehr mit Kindern in die Natur gehen, Begrünung von Fassaden und Dächern, Bepflanzen von Baumscheiben, und überhaupt mehr Flächen für urbanes Gärtnern. All das werden er und seine Kollegin Petras allerdings nur anregen, entwickelt wird es dann gemeinsam mit allen, die Interesse daran haben. Im Januar oder Februar 2022 soll dazu eine erste Zukunftskonferenz in Moabit-Ost stattfinden, zu der „breit eingeladen wird“. Dort soll es darum gehen, wo genau der Schuh drückt, welche Ideen es gibt und wer was genau machen möchte. Folgeveranstaltungen, Aktionen und Projekte werden sich daraus ergeben, ist sich Thomas Büttner sicher. Etwa ein oder anderthalb Jahre später soll dann auf einer Folgekonferenz Zwischenbilanz gezogen werden, wie weit Moabit-Ost im Klimabereich gekommen ist. Zudem planen Thomas Büttner und seine Projektpartnerin als „Steuerungsinstrument“ für das Projekt zwei Mal im Jahr einen Runden Tisch zusammen mit Ämtern, Senat, QM und Quartiersrat. Im Projektverlauf soll sich darüber hinaus im Idealfall ein Netzwerk aus Aktiven entwickeln. 

Von VWL und Umweltökonomie bis hin zu Bildung und Religionsgemeinschaften

Mit Netzwerken kennt sich Thomas Büttner als Initiator des Naturwissenschaftlichen und kulturellen Bildungsverbunds Moabit und des ZiD e.V. bestens aus. Er studierte Volkswirtschaftslehre und Umweltökonomie und fand es schon damals spannend, Makrozusammenhänge zu erfassen. In seiner Diplomarbeit beschäftigte sich der 56-jährige mit Mediationsverfahren bei Großprojekten. Thomas Büttner arbeitete an der Akademie für Technikfolgenabschätzung in Stuttgart. Dort ging es u.a. um die Standortsuche von Müllverbrennungsanlagen. Zu diesem Zweck wurden Bürger- und Ingenieursgutachten erstellt, an denen er beteiligt war. Ende der 90er Jahre unterrichtete er zwei Jahre lang Umweltpolitik, -ökonomie und -recht an einer Universität in der Slowakei. In den 2000er Jahren arbeitete Thomas Büttner, der früher in Prenzlauer Berg und heute in Potsdam-Babelsberg lebt, an einem Forschungsinstitut zum Thema Nachhaltigkeit  bei einem Institut der TU Berlin. In diesem Rahmen war er z.B. daran beteiligt, dass der erste Bürgerbus in Gransee eingeführt wurde. Außerdem moderierte er verschiedene Großveranstaltungen zur Bürgerbeteiligung. 2005 machte sich Thomas Büttner selbständig und genießt es bis heute sehr, sein eigener Chef zu sein. Sein erstes Projekt war das Moderieren des Verstetigungsprozesses für das QM Helmholtzplatz in Prenzlauer Berg. Zudem organisierte er Zukunftskonferenzen an zwei Moabiter Schulen. Zu einem Schwerpunkt seiner Arbeit wurde in den Folgejahren der Aufbau von Bildungsnetzwerken, u.a. in den QM-Gebieten Schöneberger Norden, Heerstraße (Spandau) und Hellersdorfer Promenade. 2012 folgte dann die Gründung des Bildungsverbunds Moabit. Das Netzwerk der Religionsgemeinschaften in Moabit reicht in das Jahr 2002 zurück. 2007 erfolgte unter Federführung von Thomas Büttner eine Professionalisierung dieser Treffen von christlichen Kirchengemeinden, islamischen Moscheevereinen und anderen, die in der Gründung des ZiD e.V. mündete. Dieser Verein veranstaltete u.a. mehrere Feste der Religionsgemeinschaften in Moabit.

Der große Netzwerker

Durch die Coronaeinschränkungen ist es aktuell allerdings schwierig, dieses Netzwerk mit Leben zu erfüllen, denn „Energien fließen nur vor Ort und nicht in Videokonferenzen“. „Bei aller Mühe macht es mir Spaß, ganz unterschiedliche Menschen zur Lösung komplexer gesellschaftlicher Herausforderungen zusammenzubringen, und dabei immer wieder neue Leute kennenzulernen“, so Thomas Büttner über seinen vielseitigen Beruf, der neben dem Akquirieren von Fördermitteln und dem Verfassen von Projektkonzepten auch Dinge wie Buchführung, Sachberichte und Abrechnungen beinhaltet. Aktuell ist er dabei, die Auftaktveranstaltung seines neuen Klimaschutz-Projektes vorzubereiten. Sobald diese Zukunftskonferenz steht, werden wir davon berichten.

Kontakt zu Thomas Büttner: buettner@prozessberatung.org / 0163-7321462

Ein aktueller Veranstaltungshinweis: Zum Modell der 15-Minuten-Stadt findet am 9./10. Dezember 2021 eine Fachtagung im Kino International statt, Details: https://kongress.bauwelt.de/bauwelt-kongress-2021-die-15-minuten-stadt/

Text & Interview-Fotos von Thomas Büttner: © Gerald Backhaus 2021