Vernetzte Nachbarn

Die beiden Stadtplanerinnen, die das Nachbarschaftsnetzwerk aufbauen: Wiebke Köker und Jana Bareiß (von links), alle Fotos: © Gerald Backhaus, 2019.
Auch in ihrem Büro in Prenzlauer Berg haben sie Moabit-Ost immer im Blick
Plogging-Flyer: LPG mbH

Jana Bareiß und Wiebke Köker von der LPG mbH möchten mit ihrem Projekt in Moabit-Ost bis 2020 ein stabiles Nachbarschaftsnetzwerk aufbauen.

von Gerald Backhaus

Ein Büro in einer Erdgeschosswohnung in Prenzlauer Berg nahe der Max-Schmeling-Halle. Dass es hier um Stadtplanung geht, verraten die Stadtpläne und Karten an den Wänden. Jana Bareiß und Wiebke Köker berichten im Besprechungsraum, der sich in einem Berliner Zimmer befindet, über ihren Arbeitgeber LPG mbH und ihr Projekt in Moabit Ost. 

Zunächst einmal: die Abkürzung des Unternehmens hat weder mit der gleichnamigen Biomarkt-Kette etwas zu tun noch mit den Landwirtschaftlichen Produktionsgesellschaften in der DDR. LPG steht für Landesweite Planungsgesellschaft mbH. Die LPG mbH, für die Jana Bareiß seit 2013 und Wiebke Köder seit September 2018 arbeiten, bietet Planungs- und Beratungsleistungen in sämtlichen Bereichen der Stadt- und Regionalplanung, Raum- und Umweltplanung sowie in der Verkehrsplanung an.

Jana Bareiß, Jahrgang 1981, ist Diplomingenieurin der Stadt und Regionalplanung. Die gebürtige Berlinerin kommt jeden Tag bei Wind und Wetter mit dem Fahrrad aus Schöneberg hierher gefahren. Sie lebte schon in Tiergarten, Kreuzberg, Charlottenburg und Wilmersdorf. 2010 legte sie an der TU ihr Diplom ab.  Gleich nach dem Studium  arbeitete sie als Quartiersmanagerin, damals im QM Brunnenviertel/Ackerstraße, das vom Sanierungsträger S.T.E.R.N. betrieben wird. Als Studentin war sie nebenbei für das QM Kotbusser Tor und das QM Gropiusstadt tätig. Bei der LPG mbH arbeitete Bareiß projektbezogen am Tourismuskonzept für die Kleeblattregion (Kyritz, Neustadt/Dosse, Wusterhausen/Dosse und Gumtow) sowie der Gestaltungssatzung für die Stadt Templin mit. Zu ihren ersten Projekten als Angestellte der LPG mbH zählte die Verstetigungsbegleitung im Neuköllner QM-Gebiet Reuterplatz. Im Körnerpark legte sie ein Diskussionsforum auf und im Schöneberger Norden, einem Quartier, das 2020 verstetigt werden soll, kümmert sie sich um die Mieterberatung. Schwerpunkte ihrer Arbeit und des gesamten LPG-Teams sind informelle Planungen in den Themenbereichen Stadtentwicklung und Stadtumbau, Quartiersmanagement und soziales Erhaltungsrecht sowie interkommunale Kooperationen. In den vergangenen 10 bis 15 Jahren wurden zahlreiche integrierte Konzepte im Land Brandenburg von der LPG mbH aufgelegt, oft mit viel Bewohnerbeteiligung. Die Firma betreut zudem das Gebiet Germaniagarten/Silbersteinstraße, in dem 2018 zum zweiten Mal Gelder für Berlins erste bezirks-übergreifende Fördermittelkulisse im Rahmen des FEIN-Pilot-Programms der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen akquiriert werden konnten.

Aktuell wird bei der LPG mbH ein so genanntes Grobscreening im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf innerhalb des S-Bahn-Rings durchgeführt. Das bedeutet, dass zunächst Sekundärdaten erhoben werden, bevor in einem nächsten Schritt eine vertiefende Untersuchung mit Haushaltsbefragungen kommt. So etwas führten die Stadtplaner bereits in Köln und in den Berliner Bezirken Neukölln, Mitte, Reinickendorf und Tempelhof-Schöneberg sowie jetzt auch in Leipzig durch. „Besonders spannend ist es, vor Ort die baulichen Potentiale zu entdecken, wie z.B. in der Gropiusstadt,“ erzählt Wiebke Köker. „Die Gropiusstadt ist auch von energetischen Modernisierungen bedroht, die auf die Mieter umgelegt werden können,, das wollen wir natürlich vermeiden“. Die 27-jährige stammt aus Paderborn. Sie hat 2018 ihr Studium mit dem Master der Stadt- und Regionalplanung abgeschlossen und danach direkt bei der LPG mbH angefangen. Während ihres Studiums arbeitete sie beim Deutschen Institut für Urbanistik und im Büro Urbanizers für städtische Konzepte zu verschiedenen Forschungs- und Planungsprojekten und wirkte an vielseitigen Beteiligungsprozessen mit. Kökers Schwerpunkte liegen thematisch im Bereich der sozial gerechten Stadterneuerung, dem sozialen Erhaltungsrecht und der Erstellung von Quartiers- und Beteiligungskonzepten. Ihre erste Bleibe in Berlin fand sie in Moabit-Ost, das war für ein halbes Jahr zur Zwischenmiete in der Stephanstraße. Von dort kam sie gut per Fahrrad und mit den Öffentlichen zur TU am Ernst-Reuter-Platz. In dieser Zeit liebte sie es, in die Kallasch-Bar auszugehen. Damals hieß es noch, dass Berlin günstiger als Köln sei, doch das stimmte nach den Erfahrungen von Wiebke Köker bei ihrer Wohnungssuche nicht: „Als Zugezogene konnte man sich schon 2015 Prenzlauer Berg nicht mehr vorstellen.“ Jana Bareiß nickt und erinnert sich an ihr WG-Zimmer für 230 Euro Miete als Studentin vor Jahren in Kreuzberg.

Das Projekt „Nachbarschaftsnetzwerk“, das die beiden in Moabit-Ost betreuen, läuft bis Ende 2020 und verfügt über ein Fördervolumen von 110.000 Euro. Ziel ist es, die Strukturen und Netzwerke, die das QM Moabit-Ost seit 2009 auf- und ausgebaut hat, mit Blick auf die künftige Verstetigung des QM´s zu festigen und weiter zu entwickeln. Dazu bedarf einer stabilen Netzwerkstruktur mit lokalen Akteuren, die in der Lage sind, koordinative Aufgaben unabhängig vom QM wahrzunehmen. Konkret bieten Bareiß und Köker jeden Montag von 16.30 bis 18 Uhr eine mobile Anwohnersprechstunde für Menschen, die etwas bewegen möchten oder Fragen und Anregungen haben, an. Mobil bedeutet, dass die beiden jede Woche an einem anderen Ort zu finden sind: „Wir gehen zu den Orten hin, sprechen dort die Leute an und laden auch mal Gäste ein.“ Die vier Orte, zwischen denen die Sprechstunde monatlich rotiert, sind das QM-Büro, der B-Laden, die Bruno-Lösche-Bibliothek und die Kufa. Außerdem sind Nachbarschaftsaktionen wie das „Plogging“ am 26. Januar 2019 geplant. Los geht’s um 11 Uhr vor dem QM-Büro in der Wilsnacker Straße 34 und dann weiter in den Fritz-Schloss-Park. Der Fitness-Trend „Plogging“ kommt aus Skandinavien, hierbei wird Jogging mit Müllsammeln auf Bürgersteigen, Plätzen oder Parkwiesen verbunden. Wiebke Köker erlebte das während ihres Auslandssemesters in Stockholm und fand, dass man diese Idee nach Berlin und Moabit bringen sollte. Im Anschluss an das sportliche Müllsammeln am 26. Januar gibt’s Getränke zum Aufwärmen im Café LouLou in der Lübecker Straße 21. Und auf die fleißigsten Müllsammler warten Preise wie z.B. Freikarten fürs Stadtbad Tiergarten und Café-Gutscheine.

Weitere Ideen für Nachbarschaftsaktionen sind eine Laufgruppe, gemeinsame Spaziergänge, Koch-, Film- und Spielabende. Bei der Auftaktveranstaltung für das Nachbarschaftsnetzwerk, die Ende November 2018 im Zille-Klub stattfand, wurden dafür erste Ideen und Wünsche gesammelt. Rund 20 Menschen kamen hin und beantworteten Fragen wie „Woran fehlt es im Quartier noch?“ und „Welche Aktivitäten sollten ausgebaut werden?“ Ende Februar 2019 gibt es eine Fortsetzung, dann veranstaltet die LPG mbH ein Netzwerktreffen in Moabit-Ost zum Thema Nachhaltigkeit. Diese Veranstaltung soll als regelmäßige Diskussions- und Informationsplattform für Nachbarn einmal im Vierteljahr etabliert werden. Außerdem wollen Bareiß und Köker Schulungen und Beratungen für Akteure, Träger und Vereine anbieten. Dabei soll es u.a. um die Akquise von Fördermitteln gehen, aber auch um Projektmanagement und wie man geschickt mit den sozialen Medien umgeht.

Im Ostteil Moabits gibt es viele spannende dezentrale Bereiche, so Jana Bareiß. „Leider kommt man nicht so einfach an sie heran. Erschwerend kommt hinzu, dass ein zentraler Nachbarschaftsort und Treffpunkt im QM-Gebiet fehlt.“ Deshalb haben sie und ihre Kollegin ein Raum-Netzwerk angedacht: „Wir wollen Räumlichkeiten und Konditionen auf einer Karte oder einem Lageplan aufzeigen.“ Damit soll es möglich werden, einfach mal einen Raum zu finden, in dem man z.B. für ein Theaterstück proben oder in kleinerer Runde kochen kann.“ Dass es in Moabit-Ost ja schon sehr viele Akteure gibt, hat Wiebke Köker heraus gefunden, „doch scheint es so, dass sie nicht so gut untereinander vernetzt sind. Unser Ziel ist es, die Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen bestehenden Kooperationen zu stärken und auszuweiten.” 

Nachbarschaftsnetzwerk Moabit-Ost: Die genauen Termine und weitere Informationen gibt es beim Projektträger LPG mbH sowie auf der Facebookseite.

Kontakt

LPG Landesweite Planungsgesellschaft mbh, Gaudystraße 12, 10437 Berlin, Telefon: 030 - 816160395, E-Mail: j.bareiss@lpgmbh.de w.koeker@lpgmbh.de Homepage: www.lpgmbh.de, https://www.facebook.com/nachbarschaftsnetzwerkmoabitost