Interview zum Quartiersrat

2018 zum ersten Mal im Quartiersrat Moabit-Ost: Nele Niemeyer
Bernd Sindermann, das "Urgestein" im Quartiersrat und seit 2011 dessen Sprecher
"Neuling" und "alter Hase" verstanden sich prima beim Kaffee im neuen Schultheiss-Quartier
Kiezmediatorenabschied (Foto: Begegnung als Chance)
Beim Suppenfest 2018 (Foto: QM Moabit Ost)

Quartiersrat Moabit-Ost - im Gespräch mit Nele Niemeyer und Bernd Sindermann

Text & Fotos von Gerald Backhaus

Das Schultheiss-Quartier mal kennenlernen, sagten wir uns und verabredeten uns in einem Café im ersten Stock von Moabits neuem Einkaufszentrum. Die Heilpraktikerin Nele Niemeyer aus der Kruppstraße ist erst seit ein paar Wochen dabei und damit  ein Neuling im Quartiersrat, während man Bernd Sindermann aus der Stromstraße getrost als Urgestein bezeichnen kann. Seit 2011 ist er bereits Sprecher des Quartiersrats Moabit Ost. Zuvor war er schon im Vergabebeirat aktiv. Der gebürtige Einbecker, der aus einer Gastwirtsfamilie stammt und mit seinen Eltern in Hannover und Kassel lebte, absolvierte eine Ausbildung zum Informationselektroniker in Köln und verbrachte ein Auslandspraktikum auf der englischen Kanalinsel Guernsey. Nach zehnjähriger Tätigkeit im IT-Bereich einer größeren Firma verbrachte er ein Sabbat-Jahr in Argentinien. Dorthin begleitete den leidenschaftlichen Tangotänzer seine Ehefrau, die er bei der Messe Cebit Hannover kennen gelernt hatte. Vier Kinder hat das Paar, die älteste Tochter wurde im Jahr 2000 in Buenos Aires geboren. 2003 zog die Familie nach Berlin, und zwar nach Moabit. Die Tochter ging damals in die Kita Fantasia in der Bredowstraße. Mit ehrenamtlichen Tätigkeiten kennt sich Bernd Sindermann bestens aus. Als Vorsitzender des Bezirkselternausschusses Kita - in dieses Amt kam er bereits nach einem halben Jahr Mitwirkung im Ausschuss - bemerkte er, wie man sich als Bürger einbringen und etwas bewegen kann. 2005 war er einer der Verantwortlichen des Berliner Kita-Volksbegehrens vom LEAK (Landeselternausschuss Kita). Es hatte zum Ziel, mehr Erziehungspersonal in die Kindergärten zu bekommen und den Gruppenschlüssel zu verkleinern. „90 Prozent unserer Forderungen haben wir damals durchbekommen, und der Gruppenschlüssel wurde von 12 auf 11 Kinder pro Erzieherin gesenkt“, erinnert er sich.

Auch im Quartiersrat kann man viel erreichen, so Bernd Sindermann, und Nele Niemeyer spitzt die Ohren. Die gebürtige Charlottenburgerin, die als Kind eine Zeit lang auf den Kanaren lebte, ist ausgebildete Krankenschwester und studierte Psychologie. 20 Jahre lebte sie in Hamburg und betrieb dort 12 Jahre lang eine psychologische Praxis. 2013 zog sie wegen eines Wohnprojekts zurück an die Spree. Niemeyer ist neben ihrer Tätigkeit in der Gerontopsychologie auch Berufsschullehrerin und unterrichtet an einer Altenpflegeschule. Sie findet es klasse, durch den Quartiersrat mehr Menschen aus der Nachbarschaft kennenzulernen - Menschen, die man so nie kennenlernen würde. Sie möchte in dem Bürgergremium etwas bewirken. Sensibilisiert für diese Arbeit wurde sie durch ihre Ausbildung zur Kiezmediatorin. 

Natürlich kann sie viel lernen von Bernd Sindermann. Als Sprecher nimmt er an den Steuerungsrunden im Quartiersmanagement teil. In diesen monatlichen Runden entscheiden Vertreter von Senatsverwaltung, Bezirksamt Mitte und dem QM-Team zusammen mit dem Quartiersrat darüber, welche Projekte ausgeschrieben werden. Im Auftrag des Quartiersrats äußert sich Sindermann dazu, aus welchen Gründen welches der Projekte das Bürgergremium befürwortet. Zuvor erarbeiten die Quartiersratsmitglieder gemeinsam die Kriterien, nach denen sie Projektvorschläge beurteilen, und erstellen eine Rangfolge der sich bewerbenden Projekte. 

Zu den Meilensteinen in seiner Zeit befragt, fällt Bernd Sindermann zuerst das Nachhilfeprojekt in der Bruno-Lösche-Bibliothek ein. Dort wurden viele Moabiter Kinder betreut. Er selbst kennt diese Arbeit aus eigener Anschauung gut, denn er war als Betreuer bei einem ähnlichen Projekt im QM-Gebiet Brunnenstraße tätig. Die fortschreitende Vernetzung der Nachbarschaft in Moabit Ost hebt er hervor, das Demokratieprojekt an der Theodor-Heuss-Schule und natürlich die Kiezmediatoren-Ausbildung, an der Nele Niemeyer teilnahm. „Schade, dass es im Anschluss an diese Ausbildung keine weitere Unterstützung gab, um die Kiezmediatoren im Quartier zu implementieren,“ bemerkt sie, „denn das wäre so ein Gewinn für den ganzen Kiez gewesen!“ Strukturen zu schaffen, die sich selber tragen, sei ein Ziel des Quartiersmanagementverfahrens, so Bernd Sindermann. Das sei beim Suppenfest, das inzwischen ein Träger organisiert, so und ist auch bei der Kiezzeitung gelungen. Diese wird zwar auch von einem Träger herausgegeben, ist allerdings immer noch ein durch das QM finanziertes Projekt, das sich leider (noch) nicht selbst trägt. 

Die vorangegangene Sitzung des Quartiersrats fand Nele Niemeyer sehr bereichernd und Bernd Sindermann bestätigt: Es wurden gute Diskussionen geführt, alle wurden angehört, und man begab sich auf die Suche nach gemeinsamen Lösungen. „So etwas Konstruktives erlebe ich in meinem Arbeitsumfeld selten,“ ergänzt Niemeyer. Sie würde sich im Quartiersrat gern besonders für ältere Menschen engagieren, gerade weil die Themen Vereinsamung im Alter und Demenz an Bedeutung weiter zunehmen werden. „Ich hätte Lust darauf, etwas ganz Innovatives dazu zu entwickeln.“ Bernd Sindermann, der sich aufgrund seiner Kinder bislang vorwiegend für jüngere Menschen engagierte, findet auch, dass bei Älteren ein besonderer Handlungsbedarf besteht. Und er ist sich sicher, dass Neulinge wie Niemeyer einen frischen Blick auf alles mitbringen, „denn das ist der Vorteil des Betriebsneulings“. Ihm schwebt vor, anknüpfend an das Projekt „Bewegung als Chance“, das bei der Anwohnerschaft mehr Verantwortung für den öffentlichen Raum weckte, Kurzworkshops anzubieten: „Diese Angebote sollten ganz niedrigschwellig gestaltet und eine Art Training in Zivilcourage sein.“ Vielleicht kann bei der konstituierenden Sitzung des neu gewählten Quartiersrats am 19. November 2018 ja schon über die spannenden Projektideen von Bernd Sindermann und Nele Niemeyer gesprochen werden?

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