Noch ist er hinter dem Bauzaun versteckt: Alle warten gespannt auf den Neubau

Sport frei!

Die Lupe auf den Kiez legen

Wie Multitalent Otu Tetteh und der sportbüro e.V. den Spaß an der Bewegung in Moabit Ost vorantreiben

von Gerald Backhaus

Wir treffen uns auf dem Gelände des Poststadions. Heute ist kein Wetter für Bolzen, also bläst Otu Tetteh schnell mal einen Luftballon auf und lässt ihn fliegen. Schon als Kind wurde seine Liebe zum Film geweckt, Otu stand in der Kinoproduktion „Konrad aus der Konservendose“ Anfang der achtziger Jahre vor der Kamera und wollte als Jugendlicher gern Schauspieler werden. Dann kam alles anders, so dass der gebürtige Berliner - er wuchs nahe des Lietzensees auf - als Ausstatter bei Film und Fernsehen anfing. Er arbeitete bei der Deutsche-Welle-Sendung „100 Grad“ und wirkte bei Filmen wie Quentin Tarantinos „Inglourious Basterds“, „Vickys Alptraum“, „Die Roy-Black-Story“ und „Die Straßen von Berlin“ mit. Der dynamische 45-jährige kam später über die Ausstattung zur Regie. Er wollte selbst Geschichten erzählen und drehte als Regisseur in den neunziger Jahren eigene Filme. Für seine Kurzdokumentation „You are welcome“ begleitete er seinen Vater nach Ghana, wo er ihn und andere Deutsche zur Migration von Afrika nach Europa befragte. Dieser Film und ein weiterer Kurzfilm darüber, wie ein Ausländer in Berlin einer Bande Nazis entkommt, wurden Mitte der Nullerjahre sogar auf der Berlinale gezeigt. Otus Vater ist Liberianer und seine 50-minütige Dokumentation „Papa Africa“ dreht sich um Heimat und Familie. Damit uns die Hände nicht einfrieren, sitzen wir inzwischen zum Interview im nahegelegenen neuen Café „Moment“ in der Lehrter Straße.

Otu begann im Alter von sechs Jahren mit dem Fußballspielen und blieb bis heute am Ball. Damals standen die Trainer rauchend am Spielfeldrand, erinnert er sich. Er selbst ist eine ganz andere Art Trainer und Jugendleiter bei seinem Fußballverein Oranje Berlin in Charlottenburg. „Dabei habe ich gemerkt, was für einen Spaß mir die Arbeit mit Kindern macht. Das ist so anders als das, was ich früher gemacht habe. Es ist so direkt, ehrlich und unmittelbar, und mit einem ganz anderen Energiefluss,“ erzählt der dreifache Vater. Vor sechs Jahren wechselte er ins Erzieherfach, kam an eine Grundschule und hat mittlerweile eine halbe Stelle als koordinierender Sportcoach für 5- bis 12-jährige bei dem Moabiter Kiez-Projekt „Gute, gesunde Nachbarschaft“. 

sportbüro e.V. 

Der Verein sportbüro e.V. wurde von einer bunten Mischung an Menschen gegründet, erzählt Otu. „Darunter waren Henning Harnisch von ALBA Berlin, der Sportwissenschaftler Philipp Hickethier, die Autoren Jörg Diernberger und Julia Latscha, Moderator Mitri Sirin und die Brüder Urs und Malte Spindler aus der medialen Ecke. Wir alle finden, dass die Bedeutung von Sport heute verquer diskutiert wird. Die soziale Bedeutung des Mannschaftssports und die gesundheitsfördernden Aspekte sind bekannt. Auf der anderen Seite wird in meiner Wahrnehmung nur der Leistungssport gefördert und ausgewertet.“ Die Spanne von dem, wie Sport wissenschaftlich betrachtet wird und dem, wie man ihn umsetzt, findet Otu sehr groß. „Besonders in der Vereinsarbeit stößt man schnell an Grenzen, gerade was die Ehrenamtsarbeit angeht.“ Moabit als Stadtteil mag er sehr. Durch seine Werkstatt in Wedding kam er schon viel mit der „Insel“ in Berührung. Als Mann mit Migrationshintergund hat er sich hier schon immer willkommen gefühlt, berichtet er. 

Projekt „Gute, gesunde Nachbarschaft“ 

Prinzipiell möchte Otu alle Menschen in Moabit Ost an Bewegung heranführen. Eine schwierige Aufgabe sei es, sogenannte „niedrigschwellige“ Angebote zu schaffen, besonders um Kinder und Jugendliche zwischen 9 und 13 Jahren zu erreichen, die sonst nicht all zu viel mit Bewegung im Sinn haben. Wer in diesem Alter ein negatives Bild von Sport im Kopf hat, lässt sich schwer motivieren, weiß Otu. Er hat aber schon Ideen, wie man vielleicht doch den einen oder anderen von seiner Konsole weglockt und auf den Sportplatz bringen kann. Mehr will er darüber noch nicht verraten. 

Im Dezember 2017 begannen Otu und seine Mitstreiter das Projekt „Gute, gesunde Nachbarschaft“ in Zusammenarbeit mit dem QM Moabit-Ost. Los ging es mit einer Weihnachtsgeschenke-Aktion für den Zille-Klub, den Moabit Kinderhof und dem Verein Eigeninitiative im Alter e.V. Die Senioren bekamen u.a. ein Set von Nordic-Walking-Stöcken und Sicherheits-Spikes für ihre Schuhe. An die feierliche Übergabe wurde die Vereinbarung geknüpft, 2018 gemeinsam einen Lauftreff einzurichten, auf den sich alle Anwesenden freuen. Bereits am 3. Januar 2018 ging es damit vor der Einrichtung in der Melanchthonstraße 15 los. In den nächsten Jahren sollen Sportfeste, die früher bereits in Moabit Ost stattfanden, wieder neu belebt werden. Für 2019 plant sportbüro e.V. gemeinsam mit den Sportvereinen, Schulen, Kindergärten, Senioreneinrichtungen und anderen ein richtig großes Sportfest, nicht nur im Poststadion, sondern an verschiedenen Orten im Kiez. 

„Planet Poststadion“ 

Was das Stadion mit seiner überdachten Zuschauertribüne und Sitzgelegenheiten auf der Gegengerade bis zu 10.000 Menschen mit der benachbarten Rollsportanlage, Sport- und Ruderhalle, fünf Fußball-Trainingsplätzen mit Kunstrasen, Skater- und Tennisanlage, Kletterzentrum und einem Street-Work-Park gemeinsam hat? All das gehört zum Sportpark Poststadion, in dem sich auch das Stadtbad Tiergarten und nebenan das Vabali-Wellness Spa befinden. Das sportbüro e.V. begann unter der Mitarbeit von Otu 2015 damit, den begonnenen Entwicklungsprozess zu analysieren. Auf dieser Grundlage entwickelten sie im Auftrag des Bezirksamts Mitte eine konzeptionelle Basis für den Aufbau einer modernen Verwaltung des Sportparks. Dazu stand der Verein im regen Austausch mit dem Sportamt, der Gruppe Planwerk, der Gebietskoordinatorin und Akteuren vor Ort. Die Vision des sportbüro e.V. ist ein richtiger „Planet Poststadion“, also ein Ort, an dem sich die vielfältigen Möglichkeiten von Sport, Freizeit und aktiver Kultur im Moabiter Osten verbinden. Darauf, dass also bald viele weitere Luftballons und natürlich Bälle im Poststadion fliegen, trinken wir einen zweiten und stärkeren Kaffee im „Moment“. 

 

Kontakt zu Otu Tetteh und dem sportbüro e.V.: otu.tetteh@sportbuero.info 


Zum Projekt „Gute, gesunde Nachbarschaft“ finden Sie weitere Informationen hier