Melanie Stiewe von StadtMuster
von Gerald Backhaus
Sie ist eine von der Küste. Ihr Vater war Schiffsarzt auf der „Fritz Heckert“, dem Kreuzfahrtschiff der DDR. Er lernte seine Zukünftige, Melanie Stiewes Mutter, eine Bordfunksprecherin, an Bord kennen. Die gemeinsame Tochter wurde in Rostock geboren und liebt doch, was ungewöhnlich für Ostseebewohner ist, die Berge fast mehr als das Meer. Heute wohnt Melanie in Charlottenburg und kennt durch die Gassi-Runden mit ihrem Hund Leni ihren Kiez wie ihre Westentasche. Nach wie vor geht sie aber auch gern in Mitte und Kreuzberg aus, weil dort viele ihrer Freunde wohnen. Im Jahr 2000 zog sie nach Berlin, verbrachte aber auch Stationen in Hamburg und Dresden. Nach ein paar Semestern Jura in Rostock belegte sie Sozialwissenschaften an der Humboldt-Universität Berlin. Stadt- und Regionalsoziologie bei Prof. Häußermann prägte sie nachhaltig. In dieser Zeit machte sie erste Bekanntschaft mit dem Quartiersmanagementverfahren, das in Berlin seit 1999 existiert und das sie von Beginn an innovativ fand. Parallel zum Studium arbeitete sie auf selbständiger Basis im Marketing, in der Marktforschung, auch mal kurzzeitig im Bundestag und kellnerte im spanischen Restaurant „Ruz“ in Mitte. Zusammen mit einer Studienkollegin gründete sie nach ihrem Studium 2007 die Agentur StadtMuster, die sich vor allem auf dem Gebiet von Projekten und Kampagnen in den Bereichen Stadtteilmarketing und Kulturmanagement profilierte. Der Name StadtMuster, verrät sie bei einem Tee im QM-Büro, während Leni ihr zu Füßen liegt, stammt von ihrem Biedermeiersofa, das sie mit einem neuen Stoff bezogen lassen hatte. Der Namensbestandteil Stadt war gesetzt. Als ihr der „perfekte Sofastoff“ ins Auge fiel, war der Name für die Agentur, die sie heute zusammen mit Ronald Liedmeier betreibt, geboren. Der Start nach dem Studium gestaltete sich zunächst etwas holprig. „So geht es vielen Berufseinsteigern. Wir brachten zwar viel Erfahrungen aus anderen Bereichen mit, konnten aber noch keine konkreten Referenzen vorweisen. Viele Konzepte kamen zwar in die engere Auswahl, doch am Ende wurde sich immer für einen Mitbewerber mit mehr Erfahrung entschieden.“ Die ersten größeren Fische zog Melanie Stiewe beim QM Moabit West an Land. Damals ging es um eine Evaluierung von geförderten Projekten und die Organisation einer Projektmesse. Das QM-Team war sehr zufrieden, und Melanie ist dem Stadtteil seitdem sehr verbunden. Damit war der Grundstein für ihre weiteren Aktivitäten in Moabit gelegt. Neun Jahre lang veranstaltete die Agentur StadtMuster sehr erfolgreich die Lange Nacht des Buches in ganz Moabit. Leider gab es aufgrund der Förderregeln in diesem Jahr keine weitere finanzielle Unterstützung für die Umsetzung des Projektes. Mittlerweile gibt es kaum einen Stadtteil Berlins, den Melanie Stiewe nicht kennt. Aus beruflichen Gründen wohlgemerkt. Sie organisierte Projekte in QM-Gebieten vom Schillerkiez und der Gropiusstadt in Neukölln bis hin zur Spandauer Neustadt.
Erste Kontakte zu Moabit-Ost entstanden durch die Buchnacht oder genauer Buchwoche mit ihren zahlreichen Lesungen an verschiedenen Orten. Zusammen mit dem damaligen QM-Leiter Fadi Saad brachte sie vor acht Jahren den Weihnachtsmarkt zum Laufen, „den mit Abstand schönsten QM-Weihnachtsmarkt in Berlin,“ worauf sie sehr stolz ist. „Zu Anfang hatten wir dafür fünf bis sechs Stunden anberaumt, was sich wegen der Kälte für die beteiligten Akteure als zu lang herausstellte. Dieses Jahr dauert er drei Stunden und endet wieder mit einem großen Feuerwerk.“ Von Waffelbäckerei, Kuchen, Grillwürstchen und Getränken bis hin zu Basteln und Trödeln - 2018 wird es ca. 20 Stände geben. Einige davon werden von der Kurt-Tucholsky-Grundschule und andere durch Moabiter Akteure betrieben. Neben dem Feuerwerk wird das Ponyreiten für Kinder sicher wieder eine große Attraktion sein. Das bedeutet Melanie viel, „weil gerade Stadtkinder so selten mit Tieren in Berührung kommen. Diese Pferde werden natürlich artgerecht gehalten und auf Tierschutzbestimmungen streng geachtet, was man den Tieren auch ansieht“, betont sie. Außerdem sorgen ein Ballonmann und ein Weihnachtsmann auf dem Markt für Unterhaltung. Alle, die etwas aufsagen oder vormachen, bekommen vom Weihnachtsmann ein Geschenk. Die Vorweihnachtszeit wird auf dem Markt in der Rathenower Straße nicht nur draußen zelebriert, sondern parallel auch in den Räumen der hier beheimateten Schule. Um 16 Uhr wird drinnen ein Krippenspiel aufgeführt, und um 17 Uhr tritt der Moabiter Chor „Collegium lonneum Berlin“ in der Schulmensa auf. Den Schulhof beleuchtet StadtMuster wieder u.a. mit einer Discokugel und zahlreichen bunten Strahlern, damit die Kinder ihn einmal in einer ganz anderen Stimmung als sonst erleben können.
Sehr am Herzen liegt Melanie Stiewe das QM-geförderte Projekt „Temporärer Nachbarschaftsort im Zilleklub“, welches sie gemeinsam mit Birgit Bogner von art.e.m Berlin leitet. Gemeinsam haben sie vor drei Jahren auch die Agentur SmArt GbR gegründet und sind seitdem Träger von vielen gemeinsamen Projekten. Der Name spiegelt den Zusammenschluss der beiden Agenturen StadtMuster (Sm) und art.e.m (Art) wieder. Innerhalb dieses Projekts, das bis ins Jahr 2021 läuft, können Moabiter die Räume des Zilleklubs in der Rathenower Straße außerhalb der Öffnungszeiten für ihre Hobbys und Interessen nutzen. Mittlerweile sind unter anderem zwei Chöre sowie Theater- und Tanzkurse an Bord. Jeden Freitag treffen sich insbesondere ältere Bewohnerinnen und Bewohner um 15 Uhr im Zilleklub zum Kaffeeklatsch, ein Angebot, das sehr gut angenommen wird. Jeder bringt Gebäck oder Kekse mit, und die Nationalitäten sind bunt gemischt. „Dieses ungezwungene Treffen fand erst zum zweiten Mal statt, und schon waren ca. 15 Leute da. Wir freuen uns über jeden, der Lust hat vorbei zu kommen und Kontakt sucht.“ Den Ostteil von Moabit, in dem Melanie gemeinsam mit Birgit Bogner 2018 auch zum ersten Mal die Organisation des gut etablierten Perlenkiezfestes übernahm, bezeichnet sie als familiärer, intimer und entspannter als andere QM-Gebiete. Neben den beiden umtriebigen Chefinnen, für die ein Zehnstunden-Arbeitstag ganz normal ist, arbeiten projektbezogen auch einige „festfreie“ Mitarbeiter im Team bei Bedarf mit.
Sehr gern erinnert sich Melanie Stiewe an das Moabiter Ost QM-Projekt „Wir in Moabit mal anders“, in dessen Rahmen sie interessierte Bewohner an spannende Orte im Kiez brachte. So ermöglichte sie es beispielsweise, dass über 120 Leute beim „Tag der offenen Tür“ die tadschikische Botschaft in der Perleberger Straße erstmalig von innen erkunden konnten. Viele Berliner haben Moabit gar nicht auf dem Schirm und würden zunächst einmal an das Gefängnis denken. Dabei gibt es so viele spannende Orte wie zum Beispiel das Barprojekt „Kallasch“ und das Zentrum für Kunst und Urbanistik (ZK/U). Dadurch verläuft die Entwicklung hier auch langsamer als anderswo in Berlin, was durchaus für Moabit von Vorteil ist. Im Vergleich zum Beispiel zum Neuköllner Schillerkiez befand sich Moabit lange Zeit in einer Art Dornröschenschlaf, ist Melanie aufgefallen. „Dort gibt es eine viel größere Schere zwischen Arm und Reich, mehr Verdrängung und der Latte Macchiato ist im Schillerkiez inzwischen teurer als am Savignyplatz.“ Privat befasst sie sich mit der Chinesischer Ernährungslehre und hat daher vor ein paar Jahren nur aus reinem Interesse noch einmal ein Fernstudium gemacht. Der Tee - natürlich ganz gesund und trendy Kurkuma mit Honig - ist inzwischen ausgetrunken und Melanie eilt zu ihrer nächsten Projektbesprechung. „Wir sehen uns auf dem Weihnachtsmarkt am 14. Dezember“, ruft sie noch beim Tritt in die Kälte.
Weihnachtsmarkt am 14. Dezember 2018 von 15 bis 18 Uhr in der Rathenower Straße 18 - mehr dazu hier.
Kontakt
StadtMuster GbR, Bleibtreustraße 4, 10623 Berlin, Tel. 01777423230, Mail stiewe@stadtmuster.de, www.stadtmuster.de