Die Theaterarbeit ist eine Bestimmung für mich!
Über Projekte mit Kindern und Jugendlichen im Zilleklub Interview mit Fatoş Uysal und Lilith Huber vom Theater28
von Gerald Backhaus
Die Buchstaben „Theater28“ hängen im Fenster im Obergeschoss des Zilleklubs in der Rathenower Straße. Dahinter befindet sich der große Theatersaal. Lilith Huber und Fatoş Uysal treffe ich schon auf dem Weg dorthin. In dem modernen Saal, der mit 200 Plätzen bestuhlt werden kann, finden die Proben und Aufführungen der zwei hier beheimateten Theatergruppen unter der Leitung von Theaterpädagogin Fatoş Uysal statt. Lilith Huber ist für das Kultur- und Projektmanagement im Ballhaus Prinzenallee in Wedding zuständig. Dessen Trägerverein, der Interkulturell-Aktiv e.V., ist Partner vom Theater28. „Und Fatoş ist eine unserer liebsten Theaterpädagoginnen“, erklärt die Kärntnerin Lilith, die 2022 zunächst als Werksstudentin von Wien nach Berlin kam.
Theaterpädagogin beim Theater28 seit 2014
Fatoş erfreut dieses Kompliment sichtlich. Sie ist seit 10 Jahren beim Theater28 dabei. „Ich war professionelle Hausfrau, als mir Ufuk Güldü zum ersten Mal begegnete.“ So heißt der auch türkischstämmige Theaterpädagoge, der das Theater28 im Jahr 2010 gründete. Ufuk Güldü ermutigte Fatoş, die früher als Animateurin in Antalya gearbeitet hatte, selbst Theaterpädagogin zu werden. Mit großem Erfolg, denn: „Das ist wie eine Bestimmung für mich!“ Bis zum Jahresbeginn 2020, als Corona begann, leitete sie im Zilleklub die Crazy's, eine Theatergruppe, die aus 24 Kindern und Jugendlichen im Alter von 6 bis 20 Jahren bestand. „Die Crazy's sind über die Jahre zu einem Markenzeichen geworden. Deren Motto lautete:
„Wer sind wir? Crazy's! Was sind wir? Eine Familie!"
‚Zillemania‘ hieß unser letztes Stück“, erzählt Fatoş. Zur Vorbereitung hatten die Kinder das Team des Zilleklubs beobachtet und interviewt. "Das Zilleklub-Team war und ist immer für uns da und nach wie vor eine wichtige Stütze für uns." Da wurden lustige Anekdoten gesammelt, auch manches übertrieben, und Fatoş machte daraus ein Theaterstück. „Die haben darin auch mich gespielt und meine Ticks dargestellt wie den, dass ich gern meine Haare aus der Stirn streiche und zurück werfe, und dass ich vor Reden auf der Bühne immer total aufgeregt bin.“ Das Stück lief sehr erfolgreich. Vorher führte Fatoş mit den Crazy's Stücke wie „Großstadtmärchen“ und „Zillenovela“ auf. Auch das Musical „Grease“ haben sie mehrmals gezeigt.
Groß und Klein helfen sich
Dabei machten sowohl die Großen wie die Kleinen tolle Erfahrungen, erinnert sich Fatos. Die Jugendlichen halfen den Kindern hinter der Bühne beim Anziehen, und die Kleinen reichten den Großen die Requisiten zu. „Sie haben sich hinter der Bühne auch mal gestritten, doch wieder versöhnt. Und ich hab nichts davon mitbekommen! Ja, ich gebe auch gern mal die Verantwortung ab.“ Die Corona-Pandemie bedeutete ein jähes Ende für die Crazy's. Das ganze Zillehaus musste schließen, es gab keine Proben und Vorstellungen mehr, und Fatoş? „Ich hatte nichts.“ Freilich hielt sie den Kontakt zu ihrer Theatergruppe auch in dieser schwierigen Zeit und bekam auch während der Kontaktbeschränkungen positive Rückmeldungen wie
„Fatoş, Du hast mein Leben verändert! Fatoş, Du bist mein Vorbild! Es lohnt sich, hart zu arbeiten.“
Solche Sätze hörte sie z.B. von einer jungen Frau, die sich vom Mädchen aus armen Verhältnissen zu einer erfolgreichen Geschäftsfrau entwickelt hat. Durch derartiges Lob merkte Fatoş, „dass ich mich nicht gehen lassen kann, sondern viel Verantwortung habe. Außerdem sind das Theater28 und der Zilleklub mein zweites Zuhause.“ Nach dem Ende von Corona startete sie mit zwei neuen Theatergruppen.
Die neuen Stücke „Circ the Zille“ mit Kindern...
Montags probt sie unter dem Motto „Wie tierlieb bist Du wirklich?“ mit den Jüngeren für „Circ the Zille“. So heißt das Stück über Tiere, die im Zirkus und im Zoo leben, und das am 5. Juli 2024 hier im Theatersaal uraufgeführt werden soll. Diese Schauspieltruppe nennt sich übrigens in Anlehnung an die Vorgängertruppe „New Crazys“ und besteht aus aktuell zehn Kindern.
...und "Welten" mit Jugendlichen
Mittwochs stehen derweil Proben für das Stück „Welten“ auf dem Programm. In der zweiten Truppe spielen die Älteren, aktuell sind das neun Jugendliche. Dieses Stück von Fatoş Uysal dreht sich um einen jungen Mann mit arabischem Hintergrund, der gern Kriminalistik studieren möchte, doch von seiner Großfamilie ins kriminelle Milieu hinein gezogen wird. „Er steht vor einem Dilemma.“ Wie er sich entscheiden wird, verrät Autorin und Regisseurin Fatoş natürlich noch nicht. Das Geheimnis wird bei der öffentlichen Vorstellung am 19. Juli 2024 im Zilleklub gelüftet. Fatoş hatte den jungen Darsteller inmitten einer Gruppe von Jungs entdeckt. „Er hatte Theaterspielen zuerst abgelehnt. Doch hat er richtige Talente. Er kann Stimmen, Tiere und auch Zeichentrickfiguren wie zum Beispiel aus "Madagascar" sehr gut imitieren.“ Schließlich konnte ihn Fatoş überzeugen. „Meine Idee war zuerst, ein Solostück mit ihm zu machen. Doch dann habe ich zusammen mit den Jugendlichen weitere Rollen entwickelt.“ Man darf auf „Welten“ gespannt sein.
Im Kreis wie in einer Therapiegruppe
Bevor sich eine Schauspieltruppe formiert, müssen sich die Kinder und Jugendlichen erst einmal richtig kennenlernen. Da wird darüber gesprochen, was sie erfreut und bedrückt. Wird jemand in der Schule schikaniert? Existiert Mobbing? „Bei uns gibt es kein Hineinfressen der Probleme und kein Lügen, sondern wir nehmen uns gegenseitig Ernst. Alle öffnen sich irgendwann, und dann sind wir eine Art Therapiegruppe. Bei den Crazy's damals haben wir uns einmal im Monat in einen Kreis gesetzt und besprochen, was die Einzelnen bewegt.“ Auch Fatoş selbst hat dabei gelernt: „Du bist unsere zweite Mutter, haben die Kinder zu mir gesagt. Aber wenn Du schreist, machst Du uns traurig. Diese Kritik fand ich gut und habe an mir gearbeitet.“ Hatten Kinder Ärger in ihrer Schule, dann ist Fatoş auch schon mal hingegangen und hat mit Eltern, Schulleitung und Lehrern darüber gesprochen. „Wichtig ist, dass wir alle aufeinander achtgeben. Heute gab’s zum Beispiel einen Anruf eines Mädchens von den Crazy's, weil ihr Opa gestorben ist. Da habe ich sie natürlich versucht zu trösten. Sie sind ja auch ‚meine‘ Kinder. Bei uns heißt es nicht: aus den Augen, aus dem Sinn.“
Wer möchte beim Theater28 mitmachen?
Nach den Fotos zum Interview darf ich mit hinter die Bühne. "Back Stage" zeigt Fatoş stolz Fotos ihrer Crazy's in der Garderobe und dann auch das Bühnenbild für das kommende "Circ"-Stück. Lilith erzählt, dass es für den Theatersaal noch viel mehr technische Ausstattung gibt als aktuell vorhanden. Diese soll bald installiert werden. Und brandneu ist auch die Nachricht, dass es hier im Zilleklub ab Herbst 2024 zusätzlich noch weitere spannende Theaterangebote zum Mitmachen geben wird. Nicht nur für Kinder und Jugendliche, sondern auch für Erwachsene. Fatoş strahlt über das ganze Gesicht, denn an fünf Tagen pro Woche wird sie dann hier als Theaterpädagogin mit einer vollen Stelle arbeiten. Am genauen Konzept der einzelnen Gruppen wird über den Sommer hin noch gebastelt.
Wer jetzt schon generell Interesse daran hat mitzuwirken - ob im Bereich Schauspiel oder auch Licht- und Tontechnik, Kostüm oder Plakatdesign - kann sich gern bei Fatoş Uysal mit einer E-Mail an projekt@theater28.de melden.
Vorstellungstermine
„Circ the Zille“ am Freitag, 5. Juli 2024, um 18 Uhr, im Zilleklub in der Rathenower Straße 17. Eintritt frei.
„Welten“ am Freitag, 19. Juli 2024, um 18 Uhr, im Zilleklub in der Rathenower Straße 17. Eintritt frei.
Kontakt zum Theater28 e.V. per E-Mail: projekt@theater28.de, mehr Informationen zum Theater auf https://theater28.de
Text und Fotos, wenn nicht anders gekennzeichnet: © Gerald Backhaus 2024