Humor im Kindergarten?

„Wer lacht, hat noch Reserven!“  Humor in der frühkindlichen Bildung  eine Fachtagung der Kita-Netzwerke in Moabit- West und Ost

von Gerald Backhaus

80 Prozent erbrachten 100 Prozent Erfolg, lautete ein Fazit von Susanne Bierwirth. Ihre Aussage bezog sich darauf, dass viel mehr Erzieherinnen, Erzieher und Führungskräfte gern zum Fachtag gekommen wären, einige aber wegen Personalmangels oder Leitungswechsels in ihren Einrichtungen schlichtweg keine Zeit dafür hatten und absagen mussten. Die Geschäftsführerin des Kindertagesstätten-Trägers GenerationenRaum ist Projektkoordination des Kita-Netzwerks Moabit-Ost. Susanne Bierwirth leitete die Fachtagung am 22. Oktober 2019. Rund 30 Personen, die in Kindergärten arbeiten oder mit dem Thema zu tun haben, trafen sich dazu in der Aula der Kurt-Tucholsky-Grundschule in der Rathenower Straße.

Da es angesichts der sich weiterhin verschärfenden Kita- und Schulkrise oft schwer fällt, aus vollem Herzen zu lachen – es sein denn, es handelt sich um Galgenhumor – war „Humor in der frühkindlichen Bildung“ Thema dieses Fachtags. Das Lachen bleibt Kindergärtnerinnen allzu oft im Hals stecken, weil sie jeden Kita-Platz mehrfach belegen könnten, so viele Anfragen verzweifelter Eltern liegen ihnen vor. Das Postfach für Bewerbungen von pädagogischen Fachkräften hingegen bleibt leer. Berufliche Quereinsteiger sind in den Kindertagesstätten zwar willkommen, können aber – schon allein durch die berufsbegleitende Teilzeitausbildung, durch die sie 16 Stunden in der Woche die Schulbank drücken – nicht alles stemmen. Auf die pädagogischen Fachkräfte kommt durch die Neuen auch noch Mehrarbeit hinzu, weil sie ja angeleitet werden müssen. Eine sehr große Herausforderung für die Leiterinnen der Kindertagesstätten ist es daher, ihr Personal zu halten. Dabei muss man auch Kompromisse in der Vertragsgestaltung eingehen, z.B. berücksichtigen, dass jemand an einem bestimmten Wochentag nie arbeiten kann, weil sie oder er da gerade studiert oder andere Verpflichtungen hat. 

Trotz Kita-Krise das Lachen nicht verlieren

Diese angespannte Gemengelage hat der 2018 in Berlin eingeführte Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz noch verschärft, denn alle Kinder unterzubringen, geht oft auf Kosten der Gruppengröße. Gründe genug, um sich dem Thema Humor zu widmen, damit der oft schwierige Alltag in den Kindergärten besser zu meistern ist. Lachen schüttet bekanntlich Glückshormone aus. Es fördert die Kreativität, den Mut und das Durchhaltevermögen – alles Fähigkeiten, die in den Kitas dringender denn je gebraucht werden. Die Veranstaltung, die teilweise in Form von Workshops aufgebaut war, gab Impulse für die eigene Arbeit mit und brachte die Anwesenden miteinander in den Dialog. 

Im Workshop „Mit lachendem und weinendem Auge – Rückblick auf gemeinsame Jahre“ ließ Susanne Bierwirth, die selbst Erzieherin, Sozialpädagogin und Kinderschutz-Fachkraft ist, die Teilnehmer die letzten 5 Jahre der gemeinsamen Netzwerkarbeit Revue passieren. Gemeinsam wurden Ideen dazu gesammelt, welche Aktionen auch ohne weitere Projektförderung erhaltenswert sind und wie man nicht den Spaß an der Netzwerkarbeit verliert. 

Auch der Workshop „Humorvolle Öffentlichkeitsarbeit im Kiez am Beispiel Entwicklung einer Kitakarte und der Kiezzeitung moabit°21“ war ein sehr praktischer. Für sich selbst werben, heißt auch, dass man sich herausputzen muss, sich gut darstellen, seine Vorzüge zeigen. Vielleicht auch ein bisschen angeben. Weil das gerade Beschäftigten im sozialen Bereich oft sehr schwer fällt, zeigte dieser Workshop von Ulrike Bungert und Elke Gausepohl wie man analog und digital mit einfachen Mitteln für sich selbst werben kann. Zusammen mit den Projektkoordinatorinnen von moabit021 konnte man gleich die Daten der eigenen Einrichtung in der digitalen Kita-Karte verewigen oder einen Beitrag für die nächste Ausgabe der Kiezzeitung verfassen. 

„Humorvoll kreativ sein mit PlayingArts und Schreibwerkstatt“ war Thema des vierten Workshops. „Wenn etwas Spiel hat, dann sitzt es nie ganz fest!“ – Playingarts ist eine Spielkultur, die dazu anregt, Impulsen aus der Kunst und dem Alltag neugierig zu begegnen und selbst zu gestalten. Playingarts schafft „zweckfreie Spielräume zur eigensinnigen, experimentellen und schöpferischen SelbstEntfaltung.“ Neben einer theoretischen Einführung der pädagogischen Fachberaterin und Playing-Art-Expertin Dorothée Böcker zum Grundgedanken von Playingarts wurde vor allem ganz praktisch gespielt und gestaltet. Zwischendurch reflektierten die Teilnehmer gemeinsam, welche positiven Effekte das eigene Spielen und Gestalten auf ihr Wohlbefinden haben und wie dies im (Berufs-)Alltag wieder mehr an Bedeutung gewinnen kann. Zudem leitete Ulrike Bungert eine kurze Schreibwerkstatt zum Thema. Die Ergebnisse werden in der nächsten Ausgabe der moabit021 veröffentlicht. 

Wie geht’s weiter?

Der letzte Workshop, den Susanne Bierwirth gemeinsam mit den beiden QM-Teams moderiert haben,  widmete sich der Planung für die nächsten Jahre und bot den Beteiligten  die Gelegenheit, selbst die Themen zu setzen, die sie für wichtig halten. So wurde gewünscht, die fröhliche Kita-Olympiade, die im Moabit West seit Jahren besteht, auch im Moabit Ost umzusetzen. Ein anderes Thema war unter anderem auch der Kita-Navigator, der bald live geht- dabei soll bei öffentlichen Kitas die Kitaplatzvergabe automatisch erfolgen. Gewünscht wurde hier, dass nach einer Testphase Rückmeldungen gesammelt werden, wie die Umsetzung aussieht.

Rechenübungen statt Ostereierbemalen im Kindergarten? „Frühe Bildung in Cartoons!“ mit Renate Alf

Die Ergebnisse aller Workshops wurden in Form einer Power-Point-Karaoke präsentiert. Danach trat als Höhepunkt des Fachtags die Cartoonistin Renate Alf auf. Sie ist vielen in der Branche wohl bekannt, u.a. durch ihren wöchentlichen Cartoon in der Zeitschrift „Kindergarten heute“. Darin und ihren Büchern hält sie den in Kindergärten und Schulen arbeitenden Fachkräften mit ihren Zeichnungen immer wieder humorvoll den Spiegel vor. Das tat sie in der Aula der Kurt-Tucholsky-Schule mit einem Vortrag, der sich vor allem um die unterschiedlichen Aspekte der frühkindlichen Bildung drehte.

Was vielen nicht gegenwärtig war: Bildung im Kindergarten war auch schon in den 1990er Jahren angesagt. Nur sprach man damals vom „Situationsansatz“, was bedeutete: wenn sich situativ durch das Spiel der Kinder ein bestimmtes Thema ergab, wurde dazu passend etwas Bildungsstoff vermittelt. Renate Alf, die früher u.a. als Lehrerin für Biologie arbeitete, nahm das schon damals aufs Korn.

„Wenn ich mich als Cartoonistin einem Thema zuwende, gucke ich immer, wo etwas klemmt, wo die Konflikte liegen, wo Widersprüche auftauchen. Das kann ich dann verarbeiten. Wenn etwas wunderbar und reibungslos funktioniert, ist es nicht so einfach, etwas Witziges daraus zu machen. Aber zum Glück gibt es beim Thema "Frühkindliche Bildung" ja genug Konfliktmaterial...“ 

Als Deutschland im Jahr 2000 so schlecht in der PISA-Studie abschnitt, sollte immer mehr Bildung in die Kitas gebracht werden. Rechenübungen statt Ostereierbemalen im Kindergarten? Chemieexperimente statt Plätzchenbacken? So etwas ist eine Fundgrube für eine Cartoon-Zeichnerin. Bevor sie den Stift in die Hand nimmt, diskutiert Renate Alf kontroverse Ansichten dazu auch gern im Familienkreis, wo die Meinungen manchmal sehr auseinander gehen. Von ihren vier Kindern war ein Sohn ein hochbegabtes Kind und arbeitet heute als Wissenschaftler, während eine Tochter Lehrerin an einer Walddorfschule geworden ist. Nach dem Cartoon-Vortrag signierte Renate Alf ihre Bücher, während Susanne Bierwirth die Kita-Netzwerk-Schilder an alle Beteiligten überreichte.

Talenteförderung und Gesundheit

Dieser Fachtag hatte zwei erfolgreiche Vorgänger: Im Jahr 2017 legten die Organisatorinnen vom GenerationenRaum mit einer Tagung zum Thema Talenteförderung den Fokus darauf, wie – unter teilweise sehr schwierigen Rahmenbedingungen – in den Kitas heute auf sehr hohem Niveau gearbeitet wird. Beim Fachtag 2018 wurden unter der Überschrift „Gesundheit“ gemeinsam Ansätze herausgearbeitet, wie man trotz eigentlich miteinander unvereinbarer Erwartungen durch herausfordernde gesetzliche Vorgaben, anspruchsvolle Eltern und an den eigenen Qualitätsanspruch mit der Work-Life-Balance der Kolleginnen die Lust am Arbeiten behält. 

Die Projektlaufzeit des Kita-Netzwerkes Moabit-Ost endet wahrscheinlich Ende 2019. Es wird gefördert aus den Mitteln des Programmes „Soziale Stadt“, dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, der Städtebauförderung vom Bund, Ländern und Gemeinden, von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen, vom Bezirksamt Mitte von Berlin und vom QM Moabit-Ost. 

Kontakt zum Kita-Netzwerk Moabit Ost:

GenerationenRaum gGmbH, Stephanstraße 53, 10559 Berlin, Tel. (030) 39837450, kitanetzwerk-moabit-ost@generationenraum.de