Salate, Bagels, Kuchen und mehr bei Idil Scharf im Café Honiggelb
von Gerald Backhaus
Die Wassermelonenlimonade schmeckt köstlich. Wir sitzen bei Sommerwetter draußen auf dem Bürgersteig. Der Feierabend naht, die letzten Gäste verlassen das Lokal und Idil Scharf hat sich etwas Zeit genommen. Seit Februar 2019 betreibt sie das Café Honiggelb in der Turmstraße schräg gegenüber des imposanten Amtsgerichtsgebäudes. Die junge Frau mit türkischen Wurzeln strahlt beim Erzählen über „ihr Baby“.
Die gelbe Obsession
Gelb ist ihre Lieblingsfarbe, ihre „Obsession“, wie sie sagt, und ganz besonders dieser warme honiggelbe Ton. Honiggelb ist eine sonnige, glückliche Farbe, und honiggelb ist hier fast alles: von den Tellern und Tassen bis hin zu den 70er-Jahre-Lampen. Natürlich auch die Sonnenschirme und die Stühle, auf denen wir sitzen. Das Geschirr, z.B. aus der Melitta-Serie „Heidelberg“, aber auch die Kult gewordenen gelben Krups-Handrührgeräte sammelt sie seit Jahren. Da lag der Gedanke nicht fern, dem Kind auch einen entsprechenden Namen zu geben. Hinzu kam, dass Idils türkischer Geburtsname auf Deutsch "Sohn des Imkers“ bedeutet und so war der Name „Honiggelb“ geboren.
Izmir - Ankara - Weimar - Berlin-Moabit
Seit acht Jahren lebt Idil in Deutschland. Sie stammt aus Izmir an der Westküste der Türkei und studierte an der Universität von Ankara Stadtplanung. Dort lernte sie ihren späteren Ehemann kennen. Damals war der junge Mann aus Düsseldorf Erasmusstudent der Fachrichtung Architektur. Zusammen kamen sie dann 2012 nach Deutschland und machten beide ihren Master an der Bauhaus-Universität Weimar. Zweieinhalb Jahre lebte sie mit ihrem Mann in der Kleinstadt in Thüringen. Als er dann eine Arbeitsstelle in Berlin fand, zogen sie 2015 an die Spree. Nach einer kurzen Zeit mit Zwischenmietvertrag in Prenzlauer Berg ging’s bald in eine Wohnung in den Stephankiez. Von Zuhause hin zur Arbeit ins Honiggelb ist es für Idil nur ein Katzensprung.
Wie kommt eine Stadtplanerin zu einem Restaurant?
Anfangs war es in Berlin für sie nicht leicht, was die Jobsuche anging. Als das Architekturbüro ihres Mannes jemand suchte, der sich um die Verpflegung im Betrieb kümmert, sprang Idil zeitweise ein und versorgte die Architekten mit Mittagessen. Ihr Catering begann mit einmal pro Woche Mittag für 15 bis 20 Personen und zwei Mal pro Monat Kuchen für alle 70 Mitarbeiter. Das kam sehr gut an. Weitere Büros folgten. Bis zum Salzufer hin lieferte Idil per Fahrrad mit Anhänger ihre Salate und Bagels aus. Maximal 40 Portionen hatte sie geladen. Sie bekam viele positive Rückmeldungen, und der Kreis ihrer Stammkunden wuchs. Zur Zubereitung ihrer Speisen hatte sie damals eine Gewerbeküche in der Lübecker Straße gemietet. Etwa drei Jahre lang produzierte sie dort.
Von der Catering-Anbieterin zur Restaurant-Inhaberin
Mit der Zeit erwuchs der Wunsch nach einer Weiterentwicklung in Form eines festen Ortes. Idil hatte die Idee von einem eigenen Café, in dem sie auch Gäste empfangen kann. Sie entdeckte das Ladenlokal in der Turmstraße, das schon zwei Jahre lang leer stand und in dem zuvor eine Sportsbar war, und dachte, dass das schon allein durch das nahe Gerichtsgebäude „eine coole Ecke“ für Mittagsangebote sei. Da sie gut auf Leute zugehen kann, bekam sie Kontakt zu den Eigentümern in Belgien über ein Gespräch mit den Bauarbeitern auf dem Gerüst am Gebäude, das gerade saniert wurde.
Der Moabiter Geheimtipp - fast ohne Werbung zum Erfolg
Und dann ging es ganz schnell. Die Hausbesitzer waren von Idils Konzept und einem Probeessen überzeugt. Sie gaben ihr den Mietvertrag und kooperierten gern beim Ausbau. Dass Idil mit einem Architekten, der noch dazu mal Tischler gelernt hat, verheiratet ist und viele Freunde in diesem Milieu hat, kam ihr bei der Renovierung und Einrichtung des Cafés natürlich sehr zugute. „Fast alles im Honiggelb ist selbst entworfen und gebaut. Sogar den Estrichboden haben wir selbst gegossen,“ erzählt sie stolz. In einer Rekordzeit von dreieinhalb Monaten war alles fertig. Auch das Logo - ein Teller in Form einer Bienenwabe - hat sie selbst entworfen. Im Februar 2019 gab’s dann die Eröffnung. Ganz ohne Werbung, sondern durch viel Mund-zu-Mund-Propaganda sprach es sich in Moabit herum, dass man da unbedingt einmal hingehen muss. Berichte auf radio eins, im Cee Cee Newsletter und die Aufnahme in die kulinarische Moabit-Wedding-Karte halfen. Inzwischen gibt es viele Gäste, die immer wieder kommen, berichtet Idil. Als sie die Kundschaft beschreiben soll, muss sie nicht lange überlegen: “Neben den Leuten aus der Nachbarschaft sehe ich hier - vorallem wochentags - einige Anwälte und Gerichtsmitarbeiter. Auch das Personal der verschiedenen Gesundheitseinrichtungen und von der Verwaltungsakademie kommt mittags zu uns.“ Auch für private Feiern kann man das Honiggelb buchen, hier fanden neben Geburtstagspartys schon Hochzeiten und Taufen statt.
Von russischer Okroschka bis New York Cheesecake
Das Geschäft läuft inzwischen so gut, dass Idil weiteres Personal einstellt: „Momentan sind wir zu fünft und werden bald zu sechst sein.“ So viele Mitarbeiter braucht sie auch, weil hier nach wie vor - wie schon in ihren früheren Catering-Zeiten - alles selbst gemacht wird. Am Tag unseres Interviews war gerade eine russische Okroschka als Tagessuppe im Angebot. Das ist eine kalte Suppe, die mit selbstgemachtem Kefir, Eiern, Kartoffeln und Gurken zubereitet wird. Manche vermischen sie auch mit dem Brotgetränk Kwas. Neben den Suppen - oft ist es auch die beliebte orientalische Möhrensuppe - servieren Idil und ihr Team täglich zwei Salate, z.B. mit Kichererbsen und Bulgur. Herzhaft gefüllte Scones werden bei ihr oft bestellt.
Vorwiegend vegetarisch und vegan, aber auch Schinken vom benachbarten polnischen Metzger
Ein Großteil der Speisen ist vegetarisch und vegan, doch kommen auch Fleischesser auf ihre Kosten: „Wir haben Quiche Lorraine mit Schwarzwälder Schinken im Angebot. Und ganz beliebt sind auch unsere Kochschinken-Bagels mit geräuchertem Schinken vom benachbarten polnischen Metzger.“ Im Winter gibt es zusätzlich immer dienstags und donnerstags ein warmes Tagesgericht. Und dann wäre da noch die „süße Strecke“, die von Joghurt-Desserts mit selbst gemachter Marmelade über vegane Chocolade-Chip-Cookies (Schokoladenplätzchen) und glutenfreie Orangen-Mandel-Küchlein bis hin zu klassischen Kuchen und Torten reicht. Der New York Cheesecake ist der Verkaufsschlager unter den Kuchen im Honiggelb. Nicht zu vergessen, dass man sonnabends hier auch frühstücken kann, dazu werden gemischte Frühstücksteller gereicht.
"Nur noch" an sechs Tagen pro Woche arbeiten
30 Sitzplätze bietet das Café, draußen können nochmal rund 10 Personen Platz nehmen. Und wer was geliefert bekommen möchte, auch das Catering läuft neben dem Cafébetrieb weiter. Im August hatte Idil für drei kleine private Schuleinführungsfeiern die Buffets organisiert. Sie schnauft kurz durch und berichtet, dass sie heute - statt wie früher an sieben Tagen in der Woche - „nur noch“ an sechs Tagen arbeitet. Sie ist sehr zufrieden mit ihrem Honiggelb, vor allem darüber, „dass es von Anfang an so gut angenommen wurde“. Sie plant, die Öffnungszeiten auszuweiten, so dass man wohl bald auch sonntags und wochentags zum Frühstücken herkommen kann.
Honiggelb Berlin, Turmstraße 10, 10559 Berlin, Öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag 11–17 Uhr, Samstags 10–18 Uhr, Kontakt: http://honiggelb.berlin
Text & Fotos mit Idil: © Gerald Backhaus 2020, alle weiteren Fotos © Honiggelb