Kunst, Kultur, Musik und natürlich Kaffee im KUKUMU
Interview mit Vereinsmitglied Lukas Blaukovitsch im neuen Kulturcafé in der Lübecker Straße 43
- von Gerald Backhaus -
Touristen hatten ein gemütliches Café in der Nähe in ihrer Suchmaschine eingegeben und sind prompt im KUKUMU in der Lübecker Straße gelandet. Das freut Lukas Blaukovitsch. Der dreiundzwanzigjährige Schauspielstudent gehört zu der Freundesgruppe, die hier ihren Traum von einem Kunstcafé verwirklicht hat. Er empfängt zum Interview in der Kulturecke, wie er den höher gelegenen Raum hinter dem Gastraum mit dem Bartresen nennt. Dort kann man auf einem Podest lümmeln und dabei Musik hören. Das Podest wurde gebaut, um darunter etwas Stauraum für Getränkekisten zu haben. Multifunktional! An der Wand gegenüber steht ein Plattenregal mit Musik auf Vinyl, teilweise von Musikern, die hier schon aufgelegt haben. Der Kern der KUKUMU-Truppe entstammt der DJ-Szene und veranstaltete Partys schon vor dem gemeinsamen Projekt und dem Verein.
Zum Beginn eine Ausschreibung
Der Österreicher Lukas zog wegen seines Studiums von Salzburg nach Berlin. Auf dem Skaterpark am Poststadion stieß er in den Kreis, aus dem sich später das KUKUMU formierte. Ein Freund von ihm sah die Ausschreibung von Scope Berlin mit Sitz in der Lübecker Straße 43. Scope Berlin ist ein Künstlerkollektiv, das Ateliers und Studios unterhält. Künstlern wird hier nach dem Motto „Artists-in-Residence“ ein temporärer Aufenthalt in Berlin ermöglicht. Das Ladenlokal, das zuvor als Wohnung genutzt wurde, gehört Maya Miteva, die es gern an ein Kunstcafé vermieten wollte. Dafür wurde ein Betreiber gesucht. Das war im Oktober 2020. Der Freundeskreis um Lukas entwickelte in anderthalb Monaten eine Idee und daraus ein Konzept. Schnell war die Gruppe dabei auf 16 Mitglieder angewachsen. Unter den 20- bis 32-Jährigen waren neben Kunst-, Literatur- und Musikbegeisterten auch Architekten. Die Gruppe traf sich zwei Mal pro Woche online und entwickelten gemeinsam einen 40-seitigen Businessplan für das Vorhaben, einen Treffpunkt für noch unbekannte Künstlerinnen und Künstler in Moabit zu schaffen:
„Einen Raum in einer Stadt ohne Platz“
Im Januar 2021 gab Vermieter Scope die Nachricht, dass der Freundeskreis in die Endrunde der Bewerbungen gekommen sei. Im März erfolgte die Zusage. Die Gruppe aus jungen Frauen und Männern wollte die Umbauarbeiten stemmen, ohne dafür einen Kredit aufzunehmen. Deshalb entwickelte sie zunächst eine Spendenaktion (Crowdfunding) auf dem Portal Startnext. „Wir wollten unser Café ohne Schulden eröffnen“, so Lukas.
18.000 Euro Spenden und dann Umbau
Für die Sammelaktion drehte die Gruppe ein Video. In über sechs Monaten kamen insgesamt über 18.000 Euro an Spenden zusammen. Damit und mit sehr viel eigenem Handanlegen begannen im Oktober 2021 die umfangreichen Umbauarbeiten. Zuvor waren Modelle entwickelt worden, welche Möbel es geben soll. wohin der Bartresen kommt und vor allem, wie der vorhandene Platz optimal genutzt werden kann. Dabei waren die Architektinnen im Team Gold wert. Vier Mitglieder der Gruppe arbeiteten regelmäßig vor Ort, weitere zehn halfen oft beim Umbau, und auch neue Bekannte aus der Nachbarschaft packten mit an. Für die meisten von ihnen waren die handwerklichen Tätigkeiten Neuland. Ein befreundeter Malermeister zeigte den jungen Leuten, wie man putzt und malert. Und durch Erklärfilme auf YouTube lernten sie, wie man einen Fußboden abschleift und einen Tresen aus Holz bauen kann. Wasserleitungen und Stromkabel wurden von Profis verlegt. Brandschutzkonform musste alles natürlich auch sein.
Eröffnung im Juni 2022
Lukas fand diese Kernsanierung der eigenen Vereinsräume als Entstehungsprozess sehr spannend. Gebaut und eingeräumt hat er quasi bis direkt zur Café-Eröffnung am 25. Juni 2022. Die wurde zu einem großen Erfolg. Die KUKUMUs durften dafür auch den Innenhof nutzen. Dort gab es eine Bühne, auf der vier Bands live spielten und zwei Tanzgruppen auftraten. Über 100 Gäste aus ganz Berlin waren gekommen. Sehr gern erinnert sich Lukas auch an eine Finissage im KUKUMU am Ende des vergangenen Sommers, bei der er viele bekannte und unbekannte Gesichter sah. Und was er generell betont: Sein früheres Nichtstun auf Veranstaltungen empfand er als unbefriedigend. „Viel lieber stehe ich zwei Stunden an der Bar und schenke Getränke aus oder helfe hinten in der Küche.“
Ein Verein mit Basisdemokratie
Inzwischen hatte sich die Freundesgruppe Strukturen gegeben und den KUKUMU-Verein gegründet. „Zu Bestzeiten hatten wir 34 aktive Mitglieder“, erzählt Lukas, „aktuell sind wir 20.“ Alle sind aus Lust und wegen ihres Interesses an Kunst, Kultur und Musik dabei. Die Fluktuation erklärt sich dadurch, dass die meisten studieren oder um die Welt reisen,. Vier frühere Mitglieder schreiben gerade an ihrer Masterarbeit und hatten dadurch keine Zeit mehr für die Vereinsarbeit. Während der Corona-Zeit trafen sich einmal pro Woche zwischen 20 und 30 Mitglieder online zum Plenum, seit 2022 finden diese Treffen natürlich vor Ort im Café statt. Immer mit Moderation und Rednerliste, damit alle, die mögen, gehört werden. Wichtig war den Beteiligten von Anfang an, dass sie im Kollektiv wachsen, eigene Strukturen entwickeln und dass keine Hierarchien entstehen sollten. Das hat bislang gut geklappt, findet Lukas. Gibt es bei all dem Positiven auch Nachteile bei dieser Form der Basisdemokratie? Er überlegt einen Moment und gibt zu, dass „wir manchmal länger diskutieren.“ Entscheidungen werden mit einer Dreiviertelmehrheit gefällt, doch hat jedes Mitglied auch ein Vetorecht, sollte ihm oder ihr mal etwas total gegen den Strich gehen. Kommt so etwas überhaupt mal vor? Beim Thema Schaufenstergestaltung zum Beispiel gehen die Meinungen etwas auseinander, ob dort nun Sitze oder Stehtische hinkommen sollen.
Ein kleiner Gastronomiebetrieb und seine Erfordernisse
Die Preisgestaltung wurde ausgiebig diskutiert. Ein Kaffee kostet 2,50 Euro, ein Tee 2 Euro, und für ein Stück Kuchen, einen Bagel oder einen Sandwich geben die Gäste etwas in die Spendenbox. KUKUMU arbeitet mit einer Moabiter Bäckerei zusammen. Das Gastronomiekonzept wurde unter anderem von einer angehenden Patisseurin entwickelt. Dazu gehört, dass hier im Café nur Vegetarisches oder Veganes angeboten wird. Die Anforderungen des kleinen Gastronomiebetriebes auf einer Fläche von unter 50 Quadratmetern haben Lukas und sein Team anfangs unterschätzt. Wer steht wann am Tresen und schäumt den Cappuccino? Die regulären Öffnungszeiten an fünf Tagen pro Woche - Mittwoch bis Freitag von 12 bis 18 Uhr und am Wochenende von 10 bis 20 Uhr - verlangen nach einem Dienstplan. Und den gilt es zu vereinbaren mit dem Studium und den bezahlten Jobs der Vereinsmitglieder, die hier allesamt ehrenamtlich arbeiten. Profit wird nicht gemacht. Der Erlös aus dem Verkauf von Speisen und Getränken dient der Mietzahlung und wird reinvestiert.
Klarere Strukturen und mehr Kunst
Für 2023 wünscht sich Lukas, dass die internen Strukturen des Vereines noch klarer definiert werden, und dass sich die Räumlichkeiten zu einem Selbstläufer entwickeln. Mit Lesungen, Musikveranstaltungen, Schauspielkursen und vielem mehr. Noch müssen die Vereinsmitglieder viel Zeit auf die Organisation des gesamten Betriebes verwenden. „Ich habe die Hoffnung, dass wir die Räume in Zukunft noch mehr mit künstlerischen Gedanken bespielen können.“ Alkohol gibt es im KUKUMU übrigens normalerweise nicht, und Veranstaltungen enden 22 Uhr, damit die Nachtruhe der Nachbarschaft nicht gestört wird. Kein Problem, findet Lukas, zum Feiern zieht die Truppe später noch woandershin.
Langfristige Pläne? Ein Festival!
Etwas Größeres wie ein eigenes Musiklabel oder Studio und natürlich mehr Veranstaltungen schweben Lukas da vor. Das Angebot eines stadtbekannten Clubs, eine monatliche Partyreihe auszurichten, lehnte der Verein ab, um sich erst einmal auf das eigene Kulturcafé zu konzentrieren. Ein eigenes Festival zu veranstalten, ist eine Idee, die schon konkretere Formen angenommen hat. Das wurde angeregt durch Stände von KUKUMU auf zwei Festivals im Sommer 2022. Beim spirituellen „Sacred Crown Festival“ im brandenburgischen Klingemühle südöstlich von Berlin offerierten die KUKUMUs den Festivalgästen vegane Burger. Sie halfen aber auch beim Bühnenaufbau mit. Beim Festival “Die Letzte Wiese” boten die KUKUMUs Käsesandwiches, Müsliriegel, Energiebälle und Kaffee an. Diese Erfahrungen würden beim Veranstalten eines eigenen KUKUMU-Festivals helfen, ist sich Lukas sicher. Dann soll es Mal- und Schreibwerkstätten geben, Yoga, Schauspiel, und natürlich Livemusik dazu.
Von Livemusik bis Lesekreis
Livekonzerte finden meist im oberen Gastraum mit der Wohnzimmerstimmung statt. Bis zu 30 Gäste passen da hinein. Während unseres Gespräches wird dort nicht nur beim Kaffee gequatscht, sondern auch an Laptops gearbeitet. KUKUMU als Ort für Co-Working? Das sei sehr willkommen, so Lukas. Schwerpunkt ist hier allerdings die persönliche Begegnung und das Zusammensein von Menschen, die den Austausch schätzen, Geschichten teilen mögen und ein offenes Ohr suchen. Auf der Webseite, an deren Gestaltung der Verein ein Jahr lang arbeitete, formuliert er seine Vision. KUKUMU möchte kreativen, künstlerischen, politischen und sozialen Stimmen Gehör verschaffen und dabei nachhaltig arbeiten.
Ein Verein mit Vision
Die Vereinsmitglieder freuen sich darauf, in ihrem Café köstliche Speisen und Getränke zu teilen, eine Gemeinschaft durch Workshops, Konzerte, DJ Sessions, Ausstellungen, Buchclubs, Vorträge, Filmfestivals und Skating zu schaffen und allen eine Plattform zu bieten, um sich auszudrücken wie man mag. „Wir möchten Euch alle einladen, uns auf unserer Reise zu begleiten und ein vielfältiges Community- und Kreativnetzwerk aufzubauen. Unser Ziel ist es, einen sich ständig erweiternden Freiraum in einer Stadt zu schaffen, in der Freiräume immer mehr verschwinden.“ Diese Vision hat sich schon mit Leben erfüllt und tut das immer mehr. An jedem ersten Mittwoch im Monat findet ein Lesekreis statt, Radio Moafunk produziert von hier aus eine monatliche Livesendung mit Gästen vor Ort, und die Moabiter Jazz-Sängerin Lilli Born veranstaltet generationsübergreifende Gesangsabende. Zudem werden Kakao-Zeremonien und Fermentierkurse veranstaltet. Nicht zu vergessen die monatlich wechselnden Kunstausstellungen. Aktuell stellt die Malerin Ashley Jones ihre Bilder aus. Im Februar folgen Werke der Fotografin Lia Tes unter dem Titel „The Blind Spot“ (der blinde Fleck).
„Oma, Opa und ich“ und mehr
Am letzten Januarwochenende 2023 wurden Werke von Kindern im KUKUMU gezeigt. Im Rahmen eines Kindergartenprojektes malten die Kleinen Porträts ihrer Großeltern und formten Skulpturen, die das Zuhause ihrer Großeltern beschreiben. Die KUKUMUs wirken auch bei übergreifenden Aktionen im Kiez mit. Lukas erinnert an die Beteiligung am „Dezentralen Wintermarkt“, der vom QM gefördert wurde. „Da war bei uns immer was los, die Leute tranken unseren alkoholfreien Glühwein und ein Kneipenchor kam vorbei und sang.“
Mitmachen herzlich willkommen!
Gäste sind im KUKUMU immer herzlich willkommen. Und wer sich engagieren möchte: der Verein sucht Verstärkung und heißt neue Leute gern in seinen Reihen willkommen. Wer sich dafür interessiert, wird zu einem der monatlichen Plena eingeladen, um sich vorzustellen. Und dann bekommen die Neuen ein erfahrenes Vereinsmitglied als Paten oder Patin zur Seite gestellt. Mein Tipp: Zuerst einmal einfach auf einen Kaffee zum Schnuppern vorbeikommen.
Kontakt
KUKUMU e.V., Lübecker Straße 43, 10559 Berlin, geöffnet Mi bis Fr von 12 bis 18 Uhr, Sa und So von 10 bis 20 Uhr. https://kukumu-berlin.de und Instagram
Text & Fotos (wenn nicht anders vermerkt): © Gerald Backhaus 2023