Interview beim Fastenbrechen
von Gerald Backhaus
Dieter Burmeister ist ein Tausendsassa, das merkt man sofort beim ersten Zusammentreffen. Die AG Migration und Vielfalt Berlin-Mitte lud im Mai 2018 in das „Haus der Weisheit“ zum gemeinsamen Fastenbrechen ein. An diesem Abend gab es hochkarätigen Besuch in der Rathenower Straße: neben Eva Högl, der Bundestagsabgeordneten und Stellvertretenden Vorsitzenden der SPD-Fraktion, kamen Michael Roth, Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt, und Raed Saleh, Vorsitzender der SPD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus hier mit Vertretern der kirchlichen Gemeinden von Moabit ins Gespräch. Im Ramadan stehen das Miteinander, die Barmherzigkeit gegenüber Armen und Schwachen und die gemeinsame Zeit mit der Familie im Mittelpunkt. Die gut besuchte Veranstaltung auf dem Hof vor dem „Haus der Weisheit“ bot Raum für Begegnung beim gemeinsamen Fastenbrechen. Neben Moslems und Christen waren auch Atheisten anwesend, allen voran Dieter Burmeister, der sich selbst vor den Gästen als Heide bezeichnete. Ohne den 70-jährigen wäre die Veranstaltung nicht denkbar gewesen, weil er dafür gekonnt die Strippen zog und die Regie des Abends führte, so Abdallah Hajjir, erster Vorsitzender des Moscheevereins und einer der drei Imame vom „Haus der Weisheit“.
Dieter Burmeister kam im mecklenburgischen Städtchen Grabow zur Welt, zog mit seiner Familie - der Vater war Dorfschullehrer - mit sechs Jahren in die Nähe von Brandenburg. Sein Abitur legte er in Magdeburg ab und studierte Informatik an der TU Dresden. Das war zu DDR-Zeiten. Zehn Jahre vor ihrem Ende „machte er rüber“, er konnte aufgrund eines Ausreiseantrags nach Westberlin ausreisen. Dort ließ er sich zunächst in Steglitz nieder, bevor er vor fünf Jahren nach Alt-Moabit zog. Er war Mitglied der Alternativen Liste (AL) und saß für diese Partei in den achtziger Jahren in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Steglitz. Nach dem Mauerfall zog es ihn zurück in den Osten. 1990 organisierte er unter dem Motto „Aus Erfindungen neue Ideen machen“ als einer der Ersten eine Arbeitsbeschaffungmaßnahme (ABM) mit rund 100 Ex-DDR-Bürgern: „Das war das erste genehmigte Großprojekt in Prenzlauer Berg“, erinnert er sich 28 Jahre später mit Freude. In Prenzlauer Berg gründete er auch die Genossenschaft Gewerbehof Saarbrücker Straße mit. Ihr gehört der Gebäudekomplex der Brauerei Königstadt nahe des Senefelder Platzes „mit preiswerten Mieten, darauf sind wir stolz“, in dem heute rund 300 Menschen arbeiten.
Vom Informatiker zur sozialen Arbeit zu kommen, das war für Dieter Burmeister kein ungewöhnlicher Weg. In Moabit verantwortete er für die Firma „Prios Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft“ soziale Projekte von 2009 bis 2015, bevor er - mittlerweile im Ruhestand - zum benachbarten „Haus der Weisheit“ stieß. Hier betreut er seit Mitte 2016 das Integrationscafé, das wegen des abnehmenden Bedarfs mittlerweile in eine Begegnungsstätte - „einen Nachbarschaftstreff“ - umgewandelt wurde. Zehn Langzeitarbeitslose konnte er hier anleiten, einige von ihnen arbeiten nach Ende des FAV-Projekts als Ehrenamtliche weiter mit. In den Räumen im ersten Obergeschoss kann man sich nicht nur mit anderen Menschen treffen, hier können Familien freitags, samstags und sonntags auch ihre Familienfeste feiern. Dabei kann man auch hinaus ins Freie treten, denn die Räumen gehen zu einem grünen Innenhof, der wiederum an den Fritz-Schloß-Park angrenzt und sehr ruhig ist. Draußen kann gegrillt werden und die Kinder können sich hier austoben. Neben diesem Nachbarschaftstreff gibt es für Kinder auch weitere Angebote. Geöffnet wird freitags immer ab 15 Uhr nach dem Freitagsgebet und mittwochs ab 14 Uhr. Viele Ausstattungsgegenstände für die Küchenzeile im Nachbarschaftstreff wie u.a. Herd, Grill, Geschirr und Bestecks konnten mithilfe der Förderung durch den Aktionsfonds des QMs Moabit-Ost angeschafft werden.
Ein weiteres Projekt, das Dieter Burmeister, der selbst Mitglied im Migrationsbeirat des Bezirks Mitte und im Flüchtlingsrat ist, betreut, trägt den Namen „Moabitum“. Darunter verbirgt sich - nach dem Vorbild des „Helleum“ im Stadtbezirk Hellersdorf - ein Lernort für Kinder. In diesem geht es darum, dass Mädchen und Jungen spielerisch bei handwerklichen und naturwissenschaftlichen Tätigkeiten die deutsche Sprache erlernen. „Das ist so toll, wenn ein kleines Mädchen oder ein kleiner Junge dann nacherzählt, was sie oder er vorher mit Hammer und Nagel gemacht hat.“ Burmeisters Ziel ist es, zusammen mit dem Kulturell-Naturwissenschaftlichen Bildungsverbund Moabit regelmäßig Kindergartenkinder zu Kursen in die vielen leerstehenden Räume über dem „Haus der Weisheit“ zu locken.
Ein weiteres Projekt, dass Burmeister sehr am Herzen liegt, ist ein „Interreligiöser Garten“ auf der kleinen Fläche im Innenhof des Nachbarschaftstreffs zum Park hin. „Sowas gibt’s noch nirgends“, frohlockt er. Es handelt sich um fünf Hochbeet-Flächen mit je zwei Quadratmetern. Darauf möchte er Pflanzen heranziehen, die sowohl in der Bibel als auch im Koran eine bedeutende Rolle spielen. „Dabei kann ruhig experimentiert werden, es soll sogar!“ Im Vorfeld hat der Mann mit dem grünen Daumen bereits mit der Uni Bonn Kontakt aufgenommen, die ein Forschungsprojekt zu diesem Thema betreibt. Außerdem plant er bei seinem „Interreligiösen Garten“ die Zusammenarbeit mit den Schulgärten im Bezirk Mitte und möchte zwecks einer Förderung auch an Berlins Kultursenator Klaus Lederer herantreten. Mitstreiter werden gesucht!
Kontakt zu Dieter Burmeister: Tel.: 0176 344 28 094 oder burmeister.berlin@gmx.de
Zum "Haus der Weisheit"
Darul Hikma, was auf deutsch „Haus der Weisheit“ bedeutet, ist einerseits als HadeWe e.V. eine Gemeinde als Verein organisiert und als HadeWe - Integra gGmbH ein Bildungs- und Beschäftigungsträger, der auch 2 Kitas betreibt. Der e.V. (Moscheeverein) wurde 1995 gegründet und hat über 500 Mitglieder. Der Verein betreibt auch eine Schule, in der Kinder und Jugendliche arabisch sprechen, lesen und schreiben lernen. Bis zu 100 im Alter von 8 bis 18 Jahren sind hier an den Wochenenden zu finden. Aus dem großen Bedarf der besuchenden Familien nach einem Gebetsraum entstand die zusätzliche Funktion als Moschee. Heute ist der Verein sowohl Muttersprachschule und Moschee, als auch ein sozialer Treffpunkt sowie ein Mitgestalter Moabits. Als Mitglied des Zentrums für interreligiösen Dialog und anderer Foren wirkt die Gesellschaft hinter dem „Haus der Weisheit“ auch seit vielen Jahren als positiver Akteur in seiner Umgebung. Die Namensgebung lehnt sich an das bekannte „Haus der Weisheit“ in Bagdad aus dem 9. Jahrhundert an, das war eine Hochburg des kulturellen und intellektuellen Austausches. Die Kitas Safina I und II, Berlins erste deutsch-arabische Kitas, wurde 2001 von der HadeWe - Integra gGmbH als Träger gegründet.