Zu Besuch bei Susanne Bürger
von Gerald Backhaus
Wir treffen uns in ihrem Büro, das sich im Wedding, genauer gesagt im Gesundbrunnen-Quartier nahe des Humboldthains, befindet. Schon von weitem ist "KiezSportLotsin" am Haus zu lesen. Das Ladenlokal in der Putbusser Straße war früher mal eine Eckkneipe und dann eine Pizzeria. Als die Räume leer standen und 2005 hier das Quartiersmanagementgebiet Brunnenstraße eingerichtet wurde, suchte der Hausbesitzer, die landeseigene Wohnungsgesellschaft degewo, einen „Kiez-Beleber“. Der Basketballverein Weddinger Wiesel e.V. wurde zu einem der ersten Projektträger im Quartier und mietete das Ladenlokal für seine Aktivitäten. Die Chefin damals: Susanne Bürger. Die gebürtige Reinickendorferin ist Jahrgang 1969 und begann als 16-jährige mit dem Basketballspiel im Verein. Später wurde sie Trainerin und machte ihren Schiedsrichterschein. Sie gründete „die Wiesel“, wie der Sportverein kurz genannt wird, mit und war von 2002 bis Anfang 2019 seine Vorsitzende. Als „klassische Funktionärskarriere“ beschreibt sie ihren Werdegang. Aktuell teilen sich die Wiesel die Räumlichkeiten mit dem gemeinnützigen Verein Wir im Brunnenviertel e.V. (WIB), der hier eine Gruppe Jugendlicher betreut. Dritter Partner in der Bürogemeinschaft ist der KICK Wedding, der auf dem Gebiet der Sportsozialarbeit tätig ist.
Als die gelernte Sekretärin Susanne Bürger im Jahr 2009 arbeitslos wurde, empfand sie das als einen Wendepunkt in ihrem Leben. Ihr Sportverein, mit rund 360 Mitgliedern viel zu klein, um eine Hauptamtliche zu bezahlen, arbeitet seit 2006 auch intensiv mit den „großen“ Basketballern des Bundesligisten Alba Berlin zusammen. Durch das Quartiersmanagement erfuhr sie von einer Kiezwerkstatt und ging zusammen mit Henning Harnisch, Albas Vizepräsident und ehemaliger Nationalspieler, dahin. Gemeinsam mit Alba boten die Wiesel damals schon Arbeitsgemeinschaften an Weddinger Grundschulen an. Aus ihrer Erfahrung – Lehrer und Erzieherinnen kennen oftmals die Sportvereine vor Ort nicht – dachten die beiden, dass Sport im Kiez zu organisieren, sehr wichtig sei. Die Idee eines Sportmanagers war geboren. Wer das Prozedere von Kiezwerkstätten kennt und wie Ideen dort zu Projekten werden, kann sich etwa vorstellen, wie aus dem Sportmanager die "KiezSportLotsin" wurde. 2013 wurde diese Idee von Susanne Bürger mit Leben gefüllt. Um die Wiesel nicht mit der Projektbürokratie zu überfordern, dockte sie dafür beim Trägerverein bwgt e.V., vormals BERLINbewegt e.V., an. Dieser Verein wurde 1997 als Arbeitsgemeinschaft am Fachbereich Erziehungswissenschaften, Psychologie und Sportwissenschaften der FU Berlin gegründet und 2003 als Verein eingetragen. bwgt e.V. setzt sich für die Förderung von gesundheitsorientierten Spiel-, Sport- und Bewegungsangeboten, insbesondere für Kinder und Jugendliche, aber auch für Erwachsene und Senioren ein. Moderiert, geplant, gestaltet und eingerichtet werden Bewegungs-, Spiel- und Sporträume. Der bwgt e.V. ist auch in Moabit seit Jahren kein unbekannter Verein mehr.
Das Projekt "KiezSportLotsin" wurde von Anfang an als Fachamt von Tobias Frey von der Gesundheitsförderung im Bezirk Mitte begleitet. Die Nachfrage und die positiven Rückmeldungen auch aus angrenzenden Quartieren trugen dazu bei, dass Susanne ihr Wirkungsfeld auf Moabit ausweiten konnte. Finanziert wird ihre Tätigkeit seit 2016 – anders als in den ersten fünf Jahren, als es dafür Geld aus dem Programm „Soziale Stadt“ über das QM Brunnenviertel gab – aus Haushaltsmitteln des Bezirksamt Mitte. Auch in Moabit besteht ein sehr großer Bedarf an einer Kiezsportlotsin. Manche Eltern wenden sich an sie z.B. um zu erfahren, wo ihr Vierjähriger Fußball lernen kann. Dann informiert und berät sie, und nicht selten kommt am Ende dabei heraus, dass Fußball vielleicht nicht die am besten geeignete Sportart für den Kleinen ist. Auch beim Basketball sind für ein gewisses Niveau „viel Trainingsschweiß sowie große Regelmäßigkeit und Disziplin vonnöten.“
Viele Mütter – fast immer sind es Frauen, die sich an Susanne Bürger wenden – möchten wissen, wo ihre Kinder das Schwimmen erlernen können. Schwimmunterricht ist zwar in der dritten Klasse obligatorisch, berichtet die Lotsin, die regelmäßige Umsetzung in der Praxis klappt jedoch nicht immer so gut. Das liegt zum einen an den zu wenigen Bädern, die in Berlin dafür zur Verfügung stehen, andererseits an zu wenigen Sportlehrkräften, die eine Schwimmlehrerbefähigung haben. Das Personal ist überaltert, viele von ihnen stehen kurz vor der Pensionierung. Und manchmal ist der Unterricht schon vorbei, bevor es ans Schwimmenlernen gehen kann, weil die Kinder, die noch nie zuvor in einem Schwimmbad waren, zuerst mal an das Wasser gewöhnt werden müssen.
In ihrer ersten Zeit im Stadtteil Moabit hielt Susanne Bürger dort regelmäßig Sprechstunden ab, 2016 zunächst freitags im Stadtschloss Moabit in der Rostocker Straße. Wegen zu geringer Nachfrage stellet sie 2018 ihr Konzept um. Seitdem kann man sie per Telefon und E-Mail kontaktieren und bei Bedarf einen Beratungstermin vor Ort vereinbaren. Die Lotsin – sie selbst findet, dass sie vor allem „Brücken zwischen Schulen und Vereinen schlägt“ – besucht regelmäßig die Sitzungen der Regional-AGs des Jugendamts in verschiedenen bezirklichen Regionen. Susanne Bürger weiß aus eigener Erfahrung bei den Weddinger Wieseln, wie Sportvereine ticken und nutzt diese Treffen zur weiteren Vernetzung: „Fürsprecher für den Sport sind dort wichtig, weil die meist ehrenamtlich arbeitenden Vereine oft nicht dabei sein können.“ In Moabit, so stellte sie beeindruckt fest, sind das sehr aktive Runden, bei denen manchmal um die 30 Leute zusammen kommen. Natürlich ist die Lotsin bei vielen Sportakteuren in Moabit bekannt. Sie kooperiert z.B. mit dem QM-geförderten Projekt Sportbüro und mit den Aktiven im Poststation, allen voran dem Mehrsparten-Großverein ASV Berlin. Seine Mitglieder trainieren in den Abteilungen Boxen, Fußball, Judo, Leichtathletik, Taekwondo, Tischtennis, Turnen und Volleyball. Weitere Angebote existieren zum Schwimmen und zum Reha-Sport.
Susanne Bürger kommt nach Vereinbarungen gern in Gruppen, z.B. in die Elterncafés von Grundschulen, hält dort ein Impulsreferat zu Sport und Bewegung und beantwortet im Anschluss daran alle Fragen der Eltern. Dabei kommt es oft vor, dass sich die Erwachsenen, wenn die Angebote für den Nachwuchs geklärt sind, auch für Sport in eigener Sache interessieren. Viele wissen z.B. gar nicht, dass die Aufnahme- und Mitgliedsgebühren bei einem Sportverein weniger kosten als gedacht, und dass man als Vereinsmitglied die Eintrittsgebühren für die Schwimmhalle spart. Apropos Schwimmhalle, das ist ein schwieriges Thema in Moabit. Das Stadtbad Tiergarten in der Seydlitzstraße schließt – wie auch das Paracelsus-Bad in Reinickendorf – ab Sommer wegen einer Sanierung für mindestens zwei Jahre. Dann soll vor allem die Technik ausgetauscht werden. Bei der Wiedereröffnung im Jahr 2021 werden Kinder in Moabit mit einem neuen Außenbecken beglückt. Es wird eine 25-Meter-Bahn mit einer Tiefe von nur 1,20 Meter sein, was „zum Schwimmenlernen ausreicht“, so Susanne Bürger. Allerdings gebe es Befürchtungen, dass der große Bedarf an Schwimmgelegenheiten in Moabit damit bei weitem nicht gedeckt wird. Auch gilt es, die zwei Jahre ohne Schwimmbad zu überbrücken. Dazu angedacht ist eine Übergangslösung: das Sommerbad des Kombibad Seestraße soll dazu mit einer aufblasbaren Traglufthalle überdacht werden. Damit könnte gewährleistet werden, dass nach wie vor das Schulschwimmen stattfindet. Der Berliner Schwimmverband startete eine Initiative, um konkret bei der Personalfrage zu helfen. Er wird ab kommendem Schuljahr 2019/20 immer einen qualifizierten Schwimmlehrer im Kombibad Seestraße als Springer bereithalten. Diese Person – es kann auch eine Schwimmlehrerin sein – springt immer dann ein, wenn eine Grundschule selbst kein geeignetes Personal für den Schwimmunterricht hat.
Susanne Bürger verweist sehr gern auf ein Netzwerkfondsprojekt ihres Trägervereins bwgt e.V., das Bewegung in den öffentlichen Raum brachte und in diesem Rahmen u.a. Fitness für Frauen anbietet. Diese Kurse sind kostenlos und mit kompetenten Trainern, allerdings meist nur für Erwachsene geeignet (www.bewegung-draussen.de). KiezSportLotsin und Wiesel-Vereinsmitglied Susanne Bürger selbst spielt seit einigen Jahren kein Basketball mehr. Sie macht stattdessen Gymnastik und Kraftübungen und fährt viel mit dem Fahrrad. Natürlich legt sie auch die überschaubare Strecke von ihrem Büro nach Moabit durch den Humboldthain auf dem Rad zurück. Gern auch zu Ihnen, in Ihre Schule, Ihren Verein, Ihr Unternehmen oder in Ihre Kindereinrichtung.
Kontakt für Information über nahe gelegene Sport- und Bewegungsangebote für alle von 0 bis 99 Jahren: Tel. 0157/33281328 oder buerger@bwgt.org Bitte angeben: gewünschte Sport-/ Bewegungsart, Alter und Wohnort (Ortsteil)
Fotonachweis: Claire Pfromm (Fotos vom Kiezfest), R. Brotherton (Foto Stadtschloss), S. Bürger (die beiden untersten Fotos), alle übrigen Fotos stammen von Gerald Backhaus.