Bildungspartnerschaften in Moabit Ost

Jörg Nothacker vom miomaxito e. V.
„Statuen bilden“ im Rahmen des szenischen Theaterspiels mit Erstklässlern

Von Ziel- und Bilanzgesprächen, szenischem Theaterspiel und außerschulischen Lernorten: Jörg Nothacker und die Bildungspartnerschaften an der Theodor-Heuss-Gemeinschaftsschule

von Gerald Backhaus

Bei einem Termin in einer Schule muss ich immer an meine eigene Schulzeit denken. Was mich zu DDR-Zeiten nervte, waren nicht nur die Elternbesuche der Klassenlehrerin zu Hause, sondern auch, dass wir vor der ganzen Klasse schon im Alter von 10 oder 12 Jahren unsere Berufswünsche formulieren mussten. Das war meines Erachtens zu früh. Mit 14 durfte man dann in den achtwöchigen Sommerferien sein Taschengeld aufbessern, in dem man in einem Betreib anheuerte. Toller Nebeneffekt dieser Ferienjobs war, dass wir dadurch in die Berufswelt hinein schnuppern konnten. Auch wenn manchmal ganz klar war, dass es dieser Beruf oder jenes Unternehmen später keinesfalls werden sollte. Mehr als drei Jahrzehnte später wird Berufsorientierung an den Schulen hier in Moabit ganz groß geschrieben. Jörg Nothacker vom Projektträger miomaxito weiß das genau, weil er bereits 2011 mit dem Berufsorientierungsprojekt „Kopfsprung – Entdecke deine Stärken!“ begann, zunächst sowohl an der Theodor-Heuss-Gemeinschaftsschule und an der Hedwig-Dohm-Oberschule. Jörg Nothacker, von Haus aus Psychologe, arbeitete dazu mit Schülerinnen und Schüler der 8. bis 10. Klassen. Er unterstützte die Jugendlichen dabei, berufliche Interessen zu entwickeln sowie Kontakte zu Betrieben aufzubauen, die ihnen Praxiseinblicke bieten. Hauptgrund für das Projekt war, dass viele im QM-Gebiet wohnende Schülerinnen und Schüler von ihren Eltern zu wenig motiviert und unterstützt wurden, besonders was berufsbezogene Perspektiven angeht.

Dies konnte miomaxito mit „Kopfsprung – Entdecke deine Stärken!“ durch die zusätzliche individuelle Betreuung und zielgerichtete Beratung kompensieren. An der Hedwig-Dohm-Schule etablierte Jörg Nothacker das freiwillige Betriebspraktikum im 8. Jahrgang. Einige Moabiter Betriebe öffneten ihre Türen für die Schülerpraktikanten, darunter die Glaserei Bruimann in der Rathenower Straße, das Edeka-Zentrum Moabogen und Fielmann in der Turmstraße. Jörg Nothacker half dabei, dass er seit Jahren mit miomaxito den „Tag des Handwerks“ in Moabit organisiert. Gefördert wurde das früher durch das QM Moabit West. Mittlerweile hat die Handwerkskammer eine anteilige Finanzierung übernommen, und aus dem Aktionsfonds des QMs Moabit Ost konnten Grafiken und Druckkosten für Faltblätter und Plakate, die die Schulen und Betriebe erhalten, bezahlt werden. An der Theodor-Heuss-Gemeinschaftsschule bereitete Jörg Nothacker u. a. betriebliche Schnuppertage für die 7. Klassen vor. Außerdem gab er Workshops mit einzelnen Schülerinnen und Schülern des 8. Jahrgangs, um sie als Multiplikatoren für ihre Klassen zu qualifizieren. Mit Fotos der Jugendlichen, die sie bei ihren Betriebspraktika zeigen, wurde zudem eine Ausstellung im Rathaus Tiergarten organisiert. 

Von Kopfsprung zu Bildungspartnerschaften

Seit 2015 werden größere Brötchen gebacken, aus dem reinen Berufsorientierungsprojekt entstand das umfassendere Folgeprojekt Bildungspartnerschaften. Es unterstützt die Theodor-Heuss-Gemeinschaftsschule dabei, ihren Bildungsauftrag angesichts der sehr heterogenen Schülerschaft im Quartier erfolgreich zu erfüllen. Mit drei Projekt-Bausteinen werden die Kinder und Jugendlichen ganzheitlich gefördert. Um den Kontakt der Schule zu den Eltern zu stärken, wurden im Rahmen der Bildungspartnerschaften „Ziel- und Bilanzgespräche“ zunächst schwerpunktmäßig in einer Klasse der Mittelstufe erprobt. Neben Schüler, Eltern und Klassenleiter war Jörg Nothacker dabei anwesend. Außerdem wurde im Fall von Eltern, die kein oder wenig Deutsch sprechen, eine Sprachmittlerin engagiert. Diese Gespräche, in denen es darum geht, die Mütter und Väter mehr in die schulische Entwicklung ihrer Sprösslinge einzubinden, liefen so gut, dass sich die Schule entschied sie auf alle Klassenstufen auszuweiten. Mit rund 200 Kindern und ihren Eltern wurde an der Grund- und Mittelstufe im letzten Schuljahr u.a. darüber gesprochen, wie von Zuhause aus beim Lernen mehr motiviert werden kann. Laut einer Umfrage, die die Schule zusammen mit Jörg Nothacker durchführte, beurteilten die Eltern diese Gespräche durchweg sehr positiv. Für die involvierten Lehrerinnen und Lehrer bedeuteten sie zunächst einen erhöhten Zeitaufwand, mittlerweile werden sie für sinnvoll erachtet. Nicht nur im Fall von „schwierigen“ Kindern, sondern auch für die Eltern von „unauffälligen“ Kindern und Jugendlichen sind sie sehr wichtig, weil sie die Eltern darin bestärken, dass ihr Kind an der Theodor-Heuss-Schule sehr gut aufgehoben ist.

Die Entwicklung des Sozialverhaltens der Kinder und Jugendlichen ist ein zweites Element der Bildungspatenschaften. Dazu bieten Jörg Nothacker und seine Kolleginnen aus dem theaterpädagogischen Bereich u.a. Projekttage mit szenischem Theaterspiel für die Klassen 1 bis 7 an. Die Mädchen und Jungen kommen dabei auf positive Weise einmal anders miteinander in Kontakt. In einem demokratischen Prozess lernen sie, achtsam miteinander umzugehen, ihre eigenen Meinungen zu äußern und andere Meinungen zu respektieren sowie gemeinsam als Gruppe etwas zu gestalten. Nicht das darstellende Spiel steht im Vordergrund, und dass ein konkretes Stück aufgeführt werden soll. In die Spielszenen bringen die Schülerinnen und Schüler ihre eigenen Themen ein. Da geht es um Familie, Freundschaften und natürlich um Konflikte untereinander. Wie geht man z.B. damit um, wenn sich einige in der Klassen zusammentun und jemanden ausgrenzen? Ein weiteres wichtiges Thema ist die Frage, wie man es schafft, mehr Interesse am Lernen zu entwickeln. Diese Theaterprojekte stärken das Selbstbewusstsein der Kinder und ermutigen sie dazu, sich selbst auszuprobieren und eigene Talente und Fähigkeiten zu entdeckten. 

Dritter Projekt-Baustein sind Besuche von außerschulischen Lernorten. Dazu ging es bisher u.a. zur Schüleruni der Freien Universität Berlin, zu den Schulkinowochen, ins Museumsdorf Düppel sowie ins Theater Strahl. Dieses Theater in Schöneberg konzentriert sich auf ein junges Publikum ab 12 Jahre. Die Moabiter Jugendlichen sahen hier ein Stück zum Thema Mobbing. Da es interaktiv angelegt war, konnten sie selbst mit auf die Bühne und sich am Spielprozess beteiligen. Solche Besuche außerhalb des Schulareals steigern nicht nur die Motivation der Jugendlichen, sondern auch ihre Bindung an die Lehrkräfte, die ihnen damit ja „etwas Besonderes“ bieten.

Der gemeinnützige Verein miomaxito setzt seit rund 10 Jahren erfolgreich Bildungsprojekte in Moabit um. „Das echte Interesse an den Kindern und Jugendlichen sowie Kenntnis und Begeisterung für die unendlich vielfältigen Möglichkeiten Lebenswege zu gestalten sind unsere Grundlagen, um die jungen Menschen bei ihrem Weg in die Zukunft zu unterstützen,“ so Jörg Nothacker. „Durch die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit Lehrkräften, Schülerinnen und Schülern und den Eltern gelingt es, die Bildungsmotivation und das Leistungsniveau der jungen Menschen deutlich zu verbessern.“ Aktuell befindet sich das Projekt in der zweiten Förderperiode und läuft noch bis Ende 2020. In der Vergangenheit konnten sowohl an der Theodor-Heuss-Gemeinschaftsschule wie auch an der Hedwig-Dohm-Oberschule bereits einige Projektbausteine „verstetigt“ werden.

Für das Element „Studierende unterstützen Schüler“ sucht er Studentinnen und Studenten, die in Moabit wohnen und Interesse an der Zusammenarbeit mit Kindern und Jugendlichen haben. Ein Informatikstudent möchte z.B. eine AG Programmieren anbieten. Wer also Interesse an der Unterrichtsbegleitung hat, melde sich bitte bei Jörg Nothacker: j.nothacker@miomaxito.de

Mehr zum Träger und Kontakt:

Jörg Nothacker, Tel. 030/41 71 89 80, E-Mail: j.nothacker@miomaxito.de, miomaxito e. V., Hagenauer Straße 15, 10435 Berlin, Postanschrift: Postfach 640102, 10047 Berlin, www.miomaxito.de

Grafiken: miomaxito e. V., Fotos: privat