Die neue Quartiersmanagerin
Julie Kurzke arbeitet seit Februar 2023 im Quartiersmanagement in der Wilsnacker Straße 34
- von Gerald Backhaus -
Ich bin Insulanerin, sagt Julie Kurzke und meint damit nicht nur die Insel Moabit, sondern die Insel, auf der sie aufgewachsen ist. Pellworm liegt im Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer und bildet zusammen mit den beiden Halligen Süderoog und Südfall die gleichnamige Gemeinde Pellworm. Etwa 1.200 Menschen leben dort, in Berlin hingegen sind es rund 3,7 Millionen. Was für ein Unterschied! Julie fühlt sich in beiden Welten wohl, bezeichnet sich selbst als Nordlicht und freut sich darüber, im Westhafen die Möwen kreischen zu hören.
Von Pelworm, Berlin und Rumänien
Mit 16 Jahren zog sie von Pellworm zunächst nach Husum, um das Abitur zu machen. Von dort ging es weiter nach Berlin, weil sie an der Universität der Künste (UdK) einen Studienplatz für Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation bekam. Das war 2008. Eingeschrieben war sie zehn Jahre lang, u.a. auch, weil sie für ein Auslandssemester nach Rumänien ging. 2011/12 verbrachte sie sieben Monate in Cluj-Napoca, auf Deutsch Klausenburg. Die Stadt in Siebenbürgen mit ihren rund 325.000 Einwohnern ist die zweitgrößte Stadt Rumäniens. Überrascht war Julie, dass dort so viele Leute Deutsch sprachen und viele auch sehr gutes Englisch. Sie lernte in dieser Zeit etwas Rumänisch und beschreibt diese romanische Sprache als eine sehr bildhafte. Ein „Meisterwerk“ heißt übersetzt „Capodoperă“ heißt, was sie dazu veranlasste, ihren Foto-Blog „Capodoperă“ zu nennen. 2018 ging Julie von Berlin zurück auf die Insel Pellworm, um dort als Projektmanagerin in der Gemeindeverwaltung zu arbeiten. Als „rechte Hand“ des Bürgermeisters gehörten zu ihren Themenbereichen vor allem der sozialen Wohnungsbau und die Entwicklung des Ortskernes sowie die Aufgabe, die Bürgerbeteiligung beim Umbau des Schwimmbades zu organisieren. Das fand sie alles sehr spannend, doch war ihre Stelle nur eine Elternzeitvertretung und daher zeitlich begrenzt.
Selbständig in der Berliner Kulturbranche
So kam es, dass Julie danach wieder zurück nach Berlin zog, diesmal um von hier aus für eine Jugendakademie in Halle zu arbeiten. Diese Institution versucht, junge Frauen für die Naturwissenschaften zu begeistern. 2020 erfolgte dann eine Umorientierung: Julie machte sich selbständig in der Berliner Kulturbranche. Sie war tätig als Produktionsleiterin und bearbeitete erfolgreich Förderanträge für mehrere Theatergruppen. Sie leitete Produktionen wie „Who’s afraid of Pop Culture?“ (Wer hat Angst vor der Pop-Kultur?) sowie eine Antigone-Neufassung der Gruppe „Little Black Fish Collective“ (Kleines Schwarzes Fisch-Kollektiv) und war beim Bühnenstück „Hum-an Orchestra“ des Musiktheater-Ensembles Opera Lab im Delphitheater Weißensee zudem auch als Regieassistentin tätig. Beim „drama panorama“, einem Forum für Übersetzung und Theater, leitete sie gemeinsam mit einer Kollegin die Produktionen vor Ort, organisierte Termine von Lesungen und Podiumsdiskussionen. Julie mochte ihre Arbeit in der Kulturszene sehr, doch nervte sie auf Dauer das, was viele in diesen Berufsfeldern leider sehr gut kennen: „Viel Arbeit, wenig Geld und immer nur Honorarverträge.“ Außerdem fehlte ihr die soziale Komponente, die sie nun beim Quartiersmanagement Moabit-Ost gefunden hat. Wie es dazu kam? Julie beendete alle ihre freiberuflichen Projekte zum Jahresende 2022 und wollte sich beruflich neu orientieren. Das QM kannte sie bereits durch eine Kräuterwanderung. Als sie auf dessen Stellenanzeige im Internet stieß, bewarb sie sich kurzerhand, überzeugte und wurde Mitte Februar 2023 für eine 32-Stunden-Position eingestellt. Weil sie nicht weit entfernt vom QM-Büro wohnt, kann sie in nur 10 Minuten zu Fuß ins Büro gehen, was für ein Luxus in einer Großstadt wie Berlin. Auf ihrer Heimat-Insel Pellworm war das nicht möglich. Wegen des häufigen Regens und oft sehr stürmischen Wetters braucht man dort ein Auto „wegen der Überdachung oder mindestens ein Elektro-Fahrrad, um dem starken Gegenwind trotzen zu können“.
Im QM ist Julie vor allem für die Projektverwaltung und die Abrechnungen zuständig. Dabei kommen ihr die vielfältigen Erfahrungen in diesen Bereichen aus der Arbeit auf Pelworm und in der Berliner Kulturbranche zugute. Einen Monat lang ist sie inzwischen im Einsatz, wurde bisher vor allem eingearbeitet und hat schon verschiedene Gremien wie die Steuerungsrunde, den Quartiersrat, die Runde der QMs von Mitte sowie im Rahmen einer Schulung den Prüfdienstleister PDL kennengelernt. Außerdem war sie gemeinsam mit Kollegin und Büroleiterin Sherin Buchwald im Kiez unterwegs zu Trägern wie dem Jenseits von Birkenstraße e.V. und dem Familienzentrum Moabit-Ost.
Aktuell hat sie den Aktionsfonds ausgeschrieben. Bis zum 16. April 2023 können sich Interessierte mit ihren Projektideen um eine finanzielle Förderung bei ihr bewerben. Am 26. April werden die Anträge in der Aktionsfondsjury vorgestellt und dann wird darüber abgestimmt. Julie ist neben dem Aktionsfonds für die Öffentlichkeitsmittel des QMs verantwortlich. Zu ihren weiteren Aufgaben im Team zählt vor allem der Aufgabenbereich „Nachbarschaft und Integration“. Das beinhaltet die Betreuung von Projekten wie dem zu Nachbarschaftsräumen und Interkulturellen Begegnungen sowie von dem Projekt zum gemeinsamen Organisieren von Festen. „Ich habe hier relativ erwartungsfrei begonnen,“ beschreibt Julie ihren Start im QM. „Und ich finde die Atmosphäre im Team toll.“ Weil sie lange Zeit vorwiegend allein von zu Hause arbeitete, freut sie sich über den regen Austausch mit den Leuten im Kiez „und besonders auf den Sommer und die Feste.“ Apropos Sommer, in ein paar Monaten soll der Quartiersrat neu besetzt werden, bemerkt sie, Interessierte sind dafür herzlich willkommen.
Wie sie auf Moabit kam? Julie überlegt kurz und erzählt, dass sie vor ihrem Auslandssemester in Rumänien in Schöneberg gewohnt hatte. Nach ihrer Rückkehr aus Cluj-Napoca kam sie zunächst bei einer Freundin in der Oldenburger Straße unter. 2013 zog sie von dort dann in eine Vierer- und zeitweise Fünfer-WG am Westhafen um. Julie empfindet Moabit als eine entspannte Mischung aus Leuten, als sehr studentisch. Sie fasst es so zusammen: „Moabit ist ein unterschätztes Kleinod“. Hier grüße man sich auf der Straße, könne schnell in die Natur zum nahen Plötzensee zum Spazieren, Joggen und, wenn der See mal zugefroren ist, auch auf die Eisfläche. Privat ist Julie gern als DJ unterwegs. Sie legte schon bei Hochzeiten, Geburtstagen oder bei einer Abi-Party im Strandbad Plötzensee ihre Schallplatten-Mischung aus Funk, Disco, Soul und Electro-Musik auf, zuletzt am 8. März im „Tante Frizzante“ in Neukölln, aber auch schon an Orten wie dem Flutgraben, dem Café Tirree und dem Acud. Neulich entdeckte sie das Schallplatten-Antiquariat von Stefan Streif in der Kruppstraße 12 und war ganz begeistert von seinem Angebot. Am 12. Mai wird sie ihre Schätze auf Vinyl im KuKuMu in der Lübecker Straße 43 auflegen.
Interesse am Quartiersrat? Mehr zum Aktionsfonds: Bis zum 16. April 2023 Projektideen einreichen an Quartiersmanagement Moabit-Ost, Wilsnacker Straße 34, 10559 Berlin, Tel: 030 / 9349 2225, E-Mail: team@moabit-ost.de
Text & Fotos (wenn nicht anders vermerkt): © Gerald Backhaus 2023