Die Anlaufstelle für alle Eltern mit kleinen und größeren Kindern
von Gerald Backhaus
Was genau macht eigentlich ein Familienzentrum? Ein Besuch im interkulturellen Familienzentrum Moabit-Ost im Zille-Haus in der Rathenower Straße 17 an einem heißen Sommertag sollte Antworten auf diese Frage geben. Es war an einem Mittwoch nachmittags gegen 16 Uhr, in den zwei Räumen tobte gerade eine Handvoll Kinder herum, deren Mütter - leider war gerade kein Vater anwesend - passten auf sie auf und unterhielten sich miteinander. Es wurde ab und zu ganz schön laut beim Interview mit Sibylle Büchele und ihrer Kollegin Manal Yousif, so viel Spaß hatten die Kleinen. Die Einrichtung unter der Trägerschaft der FOKUS plus gGmbH teilt sich das Gebäude mit dem Zilleklub, dessen Räumlichkeiten das Familienzentrum auch für Sitzungen und Deutschkurse benutzen darf.
2012 gab es einen Senatsbeschluss der besagte, dass 100 Familienzentren in Berlin auf Initiative des Senats gegründet werden sollten. Sibylle Büchele baute das Familienzentrum Moabit-Ost seit 2013 zunächst drei Jahre lang allein auf, mittlerweile ist es eines von insgesamt 42 dieser Einrichtungen in der Hauptstadt. Sie leitet es als Koordinatorin, während die aus dem Irak stammende Manal Yousif eine der ersten festangestellten Kiezmütter in einem Familienzentrum Berlins ist. Kiezmütter, die auch Stadtteilmütter genannt werden, sind ein wichtiges Bindeglied zwischen Migrantenfamilien und Institutionen wie Jugendämtern, Kindergärten und Schulen. Derzeit wirken 120 solche Kiezmütter in den drei Bezirken Mitte, Neukölln und Friedrichshain-Kreuzberg.
Seit April dieses Jahres arbeitet Manal im Familienzentrum Moabit-Ost, einem von 10 Zentren, die es allein im Bezirk Mitte gibt. 2003 kam sie aus Mossul mit ihrem Mann und den drei Kindern, die inzwischen 17, 18 und 20 Jahre alt sind, nach Deutschland. Manal, die im Irak ihren Bachelor in Chemie ablegte und danach als Lehrerin arbeitete, spricht vier Sprachen fließend: neben Deutsch, Arabisch und Englisch auch Aramäisch. In den sieben Jahren seit 2011 war sie im Kiezmütter-Projekt des Bezirks Mitte aktiv und zudem als Integrationslotsin im Jugendhaus B8. Manal kümmert sich - wie auch ihre Kolleginnen Sibylle Büchele und Miriam Flick, eine Sozialarbeiterin im Berufsanerkennungsjahr - besonders um Familien, die mit ihren Kindern zum Singen, Spielen und Turnen herkommen.
Dabei scheint die Palette der Angebote des Familienzentrums riesig. Sie reicht von Deutschkursen für Eltern und eine interkulturelle Krabbelgruppe über die Hausaufgabenhilfe und das Eltern-Kind-Turnen bis hin zur Sozialberatung für Familien, die sich im Asylverfahren befinden, und Kreativworkshops für Geflüchtete. Ein ganz neues Projekt unterstützt Regenbogenfamilien. Die Themen hier in der Rathenower Straße sind sehr vielfältig. So kommen auch verschiedene Institutionen auf das Familienzentrum zu, wenn es um Unterstützung bei der Suchtprävention oder um gesunde Ernährung geht. Generell kann man sagen, dass zur Hauptzielgruppe des Familienzentrums Familien mit Kinder im Alter von 0 bis 6 Jahren gehören. Dabei helfen Manals Sprachkenntnisse oft sehr. Die betreuten Familien stammen u.a. aus Syrien, es sind aber nicht unbedingt Geflüchtete. Neben deutschen Familien nennen einige andere Familien als ihre Heimat Herkunftsländer wie Polen, Tschechien, die Türkei und verschiedene arabische Staaten. Manals Sprechstunde, bei der es um eine breite Mischung an Themen geht, z.B. darum, wie man Formulare für deutsche Behörden richtig ausfüllt, findet nach den Sommerferien im August immer montags von 9 bis 10.30 Uhr statt. In ihrem Arabisch-Kurs, den sie zusammen mit Rehab aus Syrien plant und der demnächst startet, soll es besonders um das Schreiben in arabischer Schrift gehen.
Eng und vertrauensvoll arbeitet das Familienzentrum als „Starker Partner“ mit dem Quartiermanagement Moabit-Ost zusammen, Manal ist oft in den Sitzungen des Quartiersrats mit dabei. So kam es, dass mit Mitteln des Aktionsfonds ein Fest des Familienzentrums gefördert werden konnte. Die Entwicklung Moabits in den letzten Jahren sehen Sibylle Büchele und ihr Team nicht nur positiv, sondern durchaus kritisch. Als Folge einer zunehmenden Gentrifizierung verstärkt sich die Wohnungsnot. „Für eine Familie mit fünf Personen, die in einer Zwei-Raum-Wohnung lebt, wird es spätestens dann schwierig, wenn die Kinder in die Pubertät kommen“, erzählt Sibylle Büchele. „Viele ziehen dann weg, z.B. nach Siemensstadt im Bezirk Charlottenburg“, während die in Moabit wohnenden Studentinnen und Studenten irgendwo in einer anderen Stadt eine Arbeitsstelle bekommen und deshalb umziehen. Neben Türkisch und Arabisch hört man auf den Moabiter Straßen heute immer mehr Tschechisch, Englisch, Schwedisch und Holländisch. Und nach ihren Wünschen für die Zukunft des Familienzentrums gefragt, sind sich Sibylle Büchele und Manal Yousif einig: „Mehr und bessere Räume!“ So ist es momentan zum Beispiel schwierig, wenn das Sprachcafé für Erwachsene stattfindet, während ihre kleineN Kinder um sie herum toben und beim Spielen lärmen. Im Gebäude des Zille-Hauses ist allerdings nichts mehr frei. Es geht daher vorerst nur in kleinen Schritten vorwärts, wenn demnächst eine Sitzgruppe im Vorraum vor den beiden Räumen aufgestellt wird, um ihn wohnlicher zu gestalten und besser nutzen zu können.
Kontakt
Familienzentrum Moabit-Ost, Rathenower Straße 17 (im Zille-Haus), 10559 Berlin, Tel. (030) 50566738, E-Mail: info@familienzentrum-moabit.de
Weitere Informationen auf www.familienzentrum-moabit.de