Peter Kapsch und Elke Fenster vor dem "Stephans"
Anna Mäkelä
Das mittlere Zimmer
Elke in der Küche...
...die ein Fenster zum Innenhof hat
So sah es vorher 2021 in dem Ladenlokal aus...
...und im mittleren Zimmer

Räume und Möglichkeiten für die Nachbarschaft

Interview mit Elke Fenster und Peter Kapsch über das „Stephans“, den neuen Stadtteilladen in Moabit-Ost

von Gerald Backhaus

Natürlich gibt’s beim Gespräch für den Interviewer einen guten Kaffee aus der neuen Maschine, frisch „gezapft“ von Peter Kapsch. Zuvor führt der Stadtteilkoordinator von Moabit-Ost gemeinsam mit Elke Fenster, Geschäftsführerin des Moabiter Ratschlag e.V., durch die neuen Räumlichkeiten in der Stendaler Straße 9. Dabei ist ihnen die Begeisterung für diesen Ort anzumerken. Das Ladenlokal mit seinen zwei Zimmern und einer Küche strahlt, denn es wurde erst vor kurzem saniert. Vorher diente es als Lagerraum. Abgehängte Decken, wo jetzt weißer Stuck prangt, berichtet Peter. Im Schaufenster und bald auch an den Wänden hängen Fotos von Jason McGlade. Der Fotograf hat mit „Kiezfaces“ eine Porträtreihe über Moabiter Nachbarinnen und Nachbarn erstellt. Finanziert wurde sie durch den Aktionsfonds des Quartiersmanagements Moabit-Ost. Mehr zu ihm und dem Projekt hier 

Konzept für einen neuen Nachbarschaftstreff

Doch der Reihe nach: 2021 rief die Arvantis Social Foundation gGmbH, der das Haus in der Stendaler Straße gehört, soziale Träger dazu auf, ein Konzept für eine soziale Nutzung der Gewerberäume im Erdgeschoss einzureichen. Die Stiftung stellte Mietfreiheit sowie eine Übernahme der Renovierung in Aussicht. 2020 gründete sie Alexander Samwer, der mit seinen beiden Brüdern durch das Startup-Imperium Rocket Internet bekannt wurde. Seine Stiftung mit Sitz in München unterstützt gemeinnützige Projekte besonders in den Bereichen Bildung und Nachhaltigkeit. Der Moabiter Ratschlag e.V. schrieb ein Konzept für einen Nachbarschaftstreff, das Arvantis überzeugte. Von der Abteilung Sozialräumliche Planungskoordination im Bezirksamt Mitte wurden für den Betrieb des neuen Nachbarschaftstreffs Gelder aus dem Programm Freiwilliges Engagement In Nachbarschaften (FEIN) bewilligt. Zunächst über eine Laufzeit von drei Jahren bis Ende 2024. Eigentlich war die Frist zur Beantragung der FEIN-Mittel schon abgelaufen, doch klappte es damit noch kurzfristig. Glück gehabt, so dass nun seit Ende 2021 hier ein Nachbarschaftstreff im Entstehen ist. Natürlich gab es durch Corona einige Anlaufschwierigkeiten, so dass die Eröffnung am 7. Dezember 2021 keine Riesenparty war. Doch konnten die Interessierten aus der Nachbarschaft sowie aus Politik und Verwaltung die Räume besichtigen und es fanden viele Gespräche vor dem Laden und im Hof statt. Ein Leierkasten und frische Waffeln sorgten für die gute Atmosphäre.

Im Vorfeld wurde die Nachbarschaft befragt

Für alle aus der Nachbarschaft, die mögen, soll das „Stephans“ ein Begegnungsort werden, ob für den kurzen Schwatz bei einem Kaffee, eine Mietrechtsberatung oder einen Yogakurs. Dafür oder auch für Anwohnertreffen bieten die beiden Zimmer genug Raum. Um zu erfahren, was sich die Menschen im Stephankiez wünschen, beauftragte der Moabiter Ratschlag e.V. die Agentur Stadtmuster im Sommer 2021 mit einem Beteiligungsverfahren. Melanie Stiewe und Birgit Bogner befragten die Nachbarschaft. Dabei war es sehr nützlich, dass sie vielen im Stadtteil durch ihre zahlreichen Projekte bekannt sind. Die beiden unterstützten den Moabiter Ratschlag auch bei der Einrichtung des Ladenlokals und bei der Kommunikation mit der Nachbarschaft und den Einrichtungen im Kiez. 

Die Bibliothek und das "Stephans"

Eine davon ist die nahe gelegene Bruno-Lösche-Bibliothek in der Perleberger Straße 33. Den Moabiter Ratschlag und die Bibliothek verbindet eine langjährige Kooperation in der Sprach- und Leseförderung. Die Ratschlags-Mitarbeiterin Anna Mäkelä und ihre Vorgängerin Nathalie Dimmer unterstützen  das Projekt mit dem Titel  “BuKi - Bildung im Kiez"Im Stephans bietet Anne jeden Dienstag einen Nachmittag für Kinder und Familien an. Sie stellt Bücher vor, liest Geschichten und hat viele Ideen zur kreativen Gestaltung.  Details zum BuKi-Projekt der Bruno-Lösche-Bibliothek gibt es hier

Was macht den Kern der Nachbarschaftsarbeit aus?

Elke beschreibt das anhand von drei Ebenen: „Wir sind sowohl für Menschen da, die Unterstützung benötigen, als auch für diejenigen, denen wir Räume und Infrastruktur zur Verfügung stellen für kieznahe gemeinnützige Zwecke, sowie für Ehrenamtliche, die gern etwas für andere und mit anderen Menschen machen möchten. Hier an diesem Ort möchten wir das alles zusammen bringen.“ Der Nachbarschaftsladen „Stephans“ soll allen aus dem Kiez offen stehen, egal aus welcher Altersgruppe oder welchem Kulturkreis sie stammen. Der Träger Moabiter Ratschlag e.V., wirkt mittlerweile über 30 Jahre mit seinen Einrichtungen und Projekten in den Arbeitsbereichen Jugend und Schule, Beteiligung und Koordination, Nachbarschaftsarbeit und Jugendarbeit im öffentlichen Raum. Ausgehend vom Stadtteilzentrum „Stadtschloss Moabit“ in der Rostocker Straße 32 betreibt der Verein mit dem Treff im Sprengelhaus, dem Treff am Ottopark und seit kurzem dem „Stephans“ nun insgesamt drei wohnortnahe Treffpunkte. 

Vom Kaffee bis zur Mietrechtsberatung

Im vergangenen Jahr befragten Birgit und Melanie die Nachbarschaft und Einrichtungen aus dem Stephankiez dazu, wie sie sich den Nachbarschaftsladen vorstellen und wie sie mitmachen möchten. Dazu wurden viele Ideen geäußert, z.B. Jam Sessions mit Künstlern aus dem Kiez,  Fotoworkshops, Flohmarkt, Tauschmarkt, Mutter-Kind-Treff, Stillgruppe, Lesungen, Lese-, Bastel-/Kreativ- und/oder Spielangebote, Tanz-, Kurs- und Kreativworkshops sowie Musikunterricht. Es gab den Wunsch nach verschiedenen Beratungsangeboten. Das Moabiter Familienzentrum sowie die Selbsthilfe- Kontakt- und Beratungsstelle kündigten ihr Interesse an. Wichtig ist es, dass es offene Gruppen sind, zu denen alle, die mögen, freien Zugang haben. Zukünftig wird es einen Belegungsplan im Schaukasten und in digitaler Form geben, damit alle erfahren, was wann im „Stephans“ so stattfindet. 

Interessierte können zum "Offenen Dienstag" von 14 bis 18 Uhr ins "Stephans" kommen und sich informieren und austauschen.

Der Verein Moabiter Ratschlag e.V. übernimmt zudem Aufgaben in der Bürger­beteiligung und der Stadtteilkoordination. Peter Kapsch, den wir im März 2021 durch die Europacity begleiteten, war damals auf der Suche nach einem festen Standort für die Stadtteilkoordination Moabit-Ost. Mit dem „Stephans“ fand er nun einen Anker im Stephankiez und arbeitet viel von hier aus. Da die von ihm betreute Bezirksregion neben dem Stephankiez u.a. auch das Hansaviertel und die Europacity umfasst, ist er nach wie vor viel unterwegs. Jeden Dienstag von 12 bis 18 Uhr kann man ihn im Rahmen des „Offenen Dienstags“ im Stephans zu seiner offiziellen Sprechzeit besuchen. 

Wer mag mitmachen? 

Das „Stephans“ sucht Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren möchten. Egal, ob sie bei einem Computerkurs älteren Leute Basiswissen beibringen, Kuchen backen und mitbringen, oder ob sie sich mit einer Müttergruppe und Kleinkindern hier regelmäßig treffen möchten - Ideen und Vorschläge sind sehr willkommen. Für das ehrenamtliche Engagement kann der Moabiter Ratschlag e.V. auch eine Aufwandsentschädigung zahlen. Und für Veranstaltungen gibt es die Möglichkeit, eine Förderung aus der Stadtteilkasse der Stadtteilkoordination Moabit-Ost von bis zu 500 Euro pro Projekt zu kommen.

Kontakt zum „Stephans": Birgit Bogner Tel.: 0172 300 20 11, Melanie Stiewe Tel.: 0177 742 32 30, E-Mail: stephans@moabiter-ratschlag.de, weitere Informationen: https://moabiter-ratschlag.de/treff-im-stephankiez/ 

Stadtteilkoordinator Peter Kapsch im „Stephans“ - Kontakt: Tel. 0176 4344 8651, E-Mail: STK-moabit-ost@berlin.de, weitere Informationen: https://www.berlin.de/stk-mitte/unsere-stadtteilkoordinationen/stk-moabit-ost/

Elke Fenster - zur Person

Elke Fenster lebt seit Mitte der achtziger Jahre in Moabit. Sie hat sich nach dem Französisch-Studium an der FU Berlin in verschiedenen Initiativen engagiert und sich im Sozialmanagement, im Journalismus und als systemische Organisationsberaterin weitergebildet. 1992 fing sie beim Moabiter Ratschlag e.V. in der Redaktion der Sanierungszeitung „Blickwinkel“ an. Seit 2000 ist sie Geschäftsführerin des Vereins. Heute hat der Moabiter Ratschlag 45 Angestellte und arbeitet in den verschiedensten Arbeitsfeldern mit vielen Engagierten zusammen. Neben der Geschäftsführungstätigkeit hat Elke Fenster immer auch in Projekten des Vereins gearbeitet. Sie hat die Stadtteilkoordination gemeinsam mit dem Bezirksamt und anderen Trägern entwickelt und begleitet die Nachbarschaftsarbeit seit vielen Jahren.

Peter Kapsch - zur Person

Peter Kapsch ist geboren in Marzahn und wuchs dort „in der Platte“ auf . Mittlerweile wohnt er in Lichtenberg. Er studierte Geographie an der Humboldt-Universität, bevor er 2017 für ein halbes Jahr als Praktikant einer Nichtregierungsorganisation nach Myanmar ging. Dort ging es insbesondere um „community based tourism“ (gemeinschaftsorientierten Tourismus), aber auch um Einblicke in die burmesische Kultur. Seine Erfahrungen aus Myanmar helfen ihm auch in Deutschland dabei, sich gut auf andere Kulturen einzustellen. In seiner Masterarbeit, die er an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung in Eberswalde ablegte, ging es um nachhaltiges Tourismusmanagement und einen „Tourismus für die Nachbarschaft“. Damals sah er sich in Marzahn um, was dort an Orten für die Nachbarschaft existiert, und betrachtete Tourismus nicht als ausschließlich wirtschaftliches Thema, sondern auch aus sozialer und ökologischer Sicht. Als er nach dem Studium 2019 beim Moabiter Ratschlag e.V. seine Stelle antrat, hatte er das Glück, in dem Nachbarschaftszentrum "Stadtschloss Moabit" zu arbeiten.

Text & Fotos: © Gerald Backhaus 2022, die drei Vorher-Fotos stammen von Peter Kapsch